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Bestechliche Abgeordnete sind eine Gefahr für die Demokratie

Presseecho

Warum wir das Strafgesetzbuch verschärfen müssen

In der Maskenaffäre bereicherten sich Unionspolitiker um Millionen Euro – und blieben straffrei. In der Berliner Zeitung erkläre ich in einem Gastbeitrag, warum ich für eine Verschärfung des Bestechlichkeits-Paragrafen stimmen werde:

https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/maskenaffaere-gruenen-politikerin-canan-bayram-warum-wir-das-strafgesetzbuch-verschaerfen-muessen-li.2157675

Hier mein Gastbeitrag vom 13.11.2023 (Online) und 14.11. 2023 (Printausgabe):

Bestechliche Abgeordnete sind eine Gefahr für die Demokratie – warum wir das Strafgesetzbuch verschärfen müssen

In der Maskenaffäre bereicherten sich Unionspolitiker um Millionen Euro – und blieben straffrei. Unsere Gastautorin Canan Bayram erklärt, warum sie für eine Verschärfung des Bestechlichkeits-Paragrafen stimmen wird.

Die „Maskenaffäre“ um Georg Nüßlein und Alfred Sauter ist das bekannteste Beispiel für das, was man sich unter „Schmiergeld“ vorstellt. Die Corona-Pandemie hat Deutschland erschüttert, viele Menschen bangten um ihre Jobs. Inmitten dieser Krise nutzten zwei Unionsabgeordnete ihren Einfluss als Politiker aus. Sie brachten Behörden dazu, Atemschutzmasken einer bestimmten Firma bevorzugt zu beschaffen. Sie erhielten für diese Vermittlung von der Firma Entgelte in Höhe von rund 600.000 und 1,2 Millionen Euro.

Dass dieses Verhalten geeignet ist, das Vertrauen der Bevölkerung in die Integrität von Abgeordneten zu beschädigen und den „Demokratieverdruss zu fördern“, wie das Oberlandesgericht München richtigerweise anmerkte, steht außer Frage. Doch bestraft wird es bis heute nicht. Im Juli 2022 bestätigte der Bundesgerichtshof: Die Abgeordneten Nüßlein und Sauter haben sich in der „Maskenaffäre“ nicht strafbar gemacht.

Das Problem? Der Bestechungs-Paragraf ist schlichtweg zu lasch

Den Gerichten sind die Hände gebunden: Bei Mandatsinhabern ist nach Paragraf 108e Strafgesetzbuch nur die Annahme von Gegenleistungen für Handlungen „bei der Wahrnehmung des Mandates“ strafbar, etwa bei Abstimmungen im Parlament. Gemeint ist damit nur die Annahme von einer Gegenleistung für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten. Doch was ist mit Verhalten außerhalb des Parlaments?

Verwerflich finde ich grundsätzlich die Verknüpfung einer Handlung als Mandatsträger und der Annahme eines Vorteils, weil dies in jedem Fall geeignet ist, das Vertrauen in die Integrität parlamentarischer Prozesse zu zerstören. Auch, dass Abgeordnete außerhalb der direkten politischen Arbeit ihren Einfluss geltend machen, ist vom bisherigen Gesetz nicht erfasst.

Gerade in Krisenzeiten ist Vertrauen in die Politik und deren demokratische Entscheidungsprozesse besonders wichtig. Durch die Maskenaffäre wurde eine Grenze überschritten. Deswegen ist es elementar, jetzt entschlossen und gemeinsam zu handeln: Um zu zeigen, dass wir als Politiker:innen dieses Verhalten ablehnen und es uns nicht darum geht, uns mit unserer Politik selbst zu bereichern. Deswegen haben wir als Ampel-Koalition uns eine Reform des Schmiergeld-Paragrafen im Koalitionsvertrag vorgenommen.

Für eine Reform des Paragrafen 108e Strafgesetzbuch kämpfte auch schon mein Vorgänger Hans-Christian Ströbele. Genau wie er sehe ich mich in der Pflicht, das Gesetz endlich wirksam auszugestalten. In der letzten Legislaturperiode ist zwar die Strafandrohung für Bestechung erhöht worden. Doch dies bringt nichts, solange der Tatbestand nicht greift.

Wie die Grünen-Fraktion die Gesetzgebung verschärfen will

Als Grünen-Bundestagsfraktion haben wir deswegen ein Gutachten in Auftrag gegeben, das das Problem von allen Seiten beleuchtet und eine umfassende Lösung vorschlägt. Wie können in Zukunft Abgeordnete, die ungerechtfertigte Vorteile annehmen oder mit ihrem Einfluss Handel treiben, endlich bestraft werden?

Unser Vorschlag lautet: Ein Mandatsträger, der sich für ein Verhalten, das im Zusammenhang mit der Ausübung seines Mandates steht, einen ungerechtfertigten Vorteil annimmt, macht sich strafbar. Auch soll sich strafbar machen, wer sich gegen einen Vorteil gegenüber einem Parlament oder einer Regierung die Interessen des Leistenden vertritt oder diesen in unmittelbarem Zusammenhang mit der Mandatsausübung berät (sogenannter Einflusshandel).

Künftig würde dann nicht mehr nur der bestraft, der sich für ein bestimmtes Abstimmungsverhalten im Parlament bestechen lässt, sondern auch der, der zum Beispiel seinen Namen und seine Kontakte dafür benutzt, Produkte eines bestimmten Unternehmens bei der Regierung anzupreisen oder Geld von ausländischen Regierungen annimmt, um deren Ansehen in der deutschen Öffentlichkeit zu verbessern.

Wir dürfen die Menschen nicht mehr mit Scheinlösungen abspeisen

Für diesen Vorschlag werbe ich um parlamentarische Mehrheiten. Ein anderer Vorschlag, der nur auf die Masken-Fälle zugeschnitten ist, ist meines Erachtens nicht ausreichend. Wenn nur unzulässige entgeltliche Interessenvertretung unter Strafe gestellt wird, bleiben viele andere Handlungen straflos. Auf diesen Vorschlag kann und will ich mich nicht einlassen, weil er nichts löst. Und die Bevölkerung mit Scheinlösungen abspeist.

Viel schlimmer noch: Wir Abgeordnete sind es selbst, die das Gesetz ändern könnten. Wir sollten nicht den Eindruck erwecken, dass wir uns durch schlechte Gesetzgebung vor Strafverfolgung schützen wollen. Um diesen Eindruck zu entkräften, haben wir die Pflicht, bei einer Reform alle erdenklichen Fälle, die das Vertrauen in das Parlament erschüttern können, für die Zukunft unter Strafe zu stellen und so das Vertrauen in die Politik zu stärken.

Was in Deutschland als radikale Position erscheint, ist vor der Kulisse der Entwicklungen auf europäischer Ebene geradezu moderat: Dort ist eine Richtlinie in Arbeit, die Amts- und Mandatsträger gleichstellen soll. Somit werden auch Handlungen strafbar, die heute noch als „parlamentarische Gepflogenheiten“ gelten. Das zeigt, dass alle Mitgliedstaaten erkannt haben, welche Gefahr für die Demokratie von korrupten Politiker:innen ausgeht.

Spätestens jetzt müssen wir deshalb in Deutschland vorangehen. Dafür stehe ich. Deswegen werde ich keinem Gesetz zustimmen, das hinter diesem Anspruch zurückbleibt.

Canan Bayram ist Rechtsanwältin und Politikerin bei den Grünen. Sie ist seit 2017 Mitglied des Bundestags und wurde im Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg und Prenzlauer Berg Ost direkt gewählt.