Der Stillstand im Staatsangehörigkeitsrecht hat ein Ende
Antidiskriminierung, Bundestag, Bürger*innenrechte, WahlkreisModernes Recht für die Einwanderungsgesellschaft
Endlich soll mit der Ampelkoalition auf Bundesebene auch das Staatsangehörigkeitsrecht reformiert werden. Allein in meinem Wahlkreis Friedrichshain-Kreuzberg haben knapp 30 Prozent der Menschen keine deutsche Staatsangehörigkeit und somit z.B. kein Wahlrecht. Sie hoffen auf eine Koalition auf Bundesebene, die das Recht endlich ihrer Lebensrealität anpasst.
Denn das Staatsangehörigkeitsrecht befand sich in den letzten 16 Jahren aufgrund der Blockadehaltung der Unionsparteien im Stillstand:
Vor dem Jahr 2000 galt in Deutschland das Blutsrecht („ius sanguini“), das die deutsche Staatsangehörigkeit ausschließlich durch Abstammung von einem deutschen Elternteil vorsah.
Erst im Jahr 2000 wurde unter Rot-Grüner Regierung daneben auch das Geburtsortsprinzip („ius soli“) eingeführt. Seitdem erwerben in Deutschland geborene Kinder von Eltern, die sich seit mindestens acht Jahren rechtmäßig unbefristet in Deutschland aufhalten, die deutsche Staatsangehörigkeit bei Geburt.
Dabei lautete das Leitbild: Vermeidung von Mehrstaatigkeit. Zunächst mussten diese Kinder sich daher bei Vollendung des 21. Lebensjahrs zwischen der deutschen und der Staatsangehörigkeit ihrer Eltern entscheiden.
Diese sogenannte Optionspflicht wurde dann im Jahr 2014 unter anderem für Personen, die neben der deutschen ausschließlich die Staatsangehörigkeit eines anderen EU-Staates oder der Schweiz besitzt und Personen, die im Inland aufgewachsen sind, abgeschafft.
Ein Erwerb der deutschen Staatsbürgerschaft durch Einbürgerung ist bisher nach acht Jahren rechtmäßigen Aufenthalts und unter sehr strengen Voraussetzungen, zum Beispiel sehr hohem deutschen Sprachniveau, möglich. Auch hier galt Vermeidung der Mehrstaatigkeit, also Einbürgerungswillige müssen in der Regel ihre bisherige Staatsangehörigkeit ablegen.
Klar ist: Eine Reform des Staatsangehörigkeitsgesetzes ist überfällig.
Einen großen Schritt in Richtung einer chancengerechten Einwanderungsgesellschaft haben wir mit dem jetzt vorliegenden Koalitionsvertrag getan. Gemeinsam mit SPD und FDP haben wir uns auf ein modernes Staatsangehörigkeitsrecht geeinigt:
In Zukunft soll die Mehrfachstaatsangehörigkeit möglich und der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit vereinfacht werden. Eine Einbürgerung soll in der Regel nach fünf Jahren möglich sein, bei besonderen Integrationsleistungen schon nach drei Jahren.
Für den Erwerb bei Geburt durch Kinder ausländischer Eltern soll es in Zukunft reichen, wenn ein Elternteil seit fünf Jahren seinen rechtmäßigen Aufenthalt in Deutschland hat.
Ein Punkt, der mir besonders wichtig ist, ist die Einbürgerung für Angehörige der sogenannten „Gastarbeiter“-Generation. Vor 60 Jahren wurde das Anwerbeabkommen zwischen der Türkei und Deutschland geschlossen. Dennoch leben aus dieser Zeit noch immer unzählige Menschen hier ohne deutsche Staatsangehörigkeit. Grund ist häufig, dass das nachzuweisende Sprachniveau nicht erreicht wird, weil die Integration der damals eingereisten Arbeitskräfte nicht unterstützt wurde. Während dies für „Gastarbeiter“ aus anderen EU-Ländern weniger problematisch ist, weil sie über eine EU-Staatsangehörigkeit verfügen, gibt es bisher für türkeistämmige Menschen noch immer keine adäquate Lösung.
Für diese Menschen sollen in Zukunft vereinfachte Voraussetzungen für die Einbürgerung gelten, insbesondere Erleichterungen hinsichtlich des Sprachnachweises.
Dies ist ein wichtiger Schritt, um ihre Lebensleistungen in der Bundesrepublik anzuerkennen und sie als Mitglieder unserer Gesellschaft wertzuschätzen.