In den letzten beiden Sitzungswochen befragten wir im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Afghanistan vor allem mehrere Mitarbeiter*innen des Auswärtigen Amtes
Die Angst vor den Bildern einer Massenflucht aus Afghanistan war größer als der Wille, den afghanischen Mitarbeiter*innen der deutschen Einsatzkräfte konkret und rechtzeitig aus dem Land zu helfen. Nicht einmal ein sogar von höchster Ebene gewünschter Charterflug aus Kabul kam zustande. So berichtete ein im Auswärtigen Amt als militärpolitischer Berater eingesetzter Mitarbeiter unserem Untersuchungsausschuss. Geholfen hat es nichts, wenige Wochen später gab‘ es genau diese Bilder einer panischen Flucht aus Kabul, die man verhindern wollte und die uns nun allen in Erinnerung sind.
In den letzten beiden Sitzungswochen hörten wir vor allem Mitarbeiter*innen einschließlich des zuständigen Referatsleiters des Auswärtigen Amtes. Manche Befragungen ergaben einen guten Einblick in das Denken im Referat, aber auch erschreckende Erkenntnisse. So gingen alle davon aus, dass Kabul noch lange gehalten wird, und anscheinend niemand machte sich Gedanken über das reale Handeln der USA. Es herrschte das „Prinzip Hoffnung“. Auf keinen Fall wollte man den Eindruck erwecken, dass nun alles verloren sei, zwanzig Jahre militärische Intervention in Afghanistan, und am Ende? Nichts!
Aus heutiger Sicht völlig unverständlich wird absurd viel Zeit zwischen Auswärtigem Amt (AA) und dem Bundesministerium des Innern (BMI) verplempert. Obwohl die an sich gute und richtige Idee der Ausstellung eines „Visas-on-arrival“ im AA vorhanden ist, wird dies aber aus dem BMI mit aller Kraft verhindert. Die Angst davor, jemanden zu „Unrecht“ in Deutschland Gelandeten nicht mehr abschieben zu können ist größer als allen anderen zu helfen.
Langsam aber sicher nähern wir uns immer mehr der politischen Leitungsebene des AA, fragen uns, wer eigentlich „besonders Schutzbedürftige“ definierte, wer ab wann in einer Krise entscheidet und wann die Zuständigkeit vom Fachreferat zum Krisenreaktionszentrum wechselt.
Befragt wurde vorletzte Woche auch ein Mitarbeiter des Bundesnachrichtendienstes (BND), höchst spannend, aber trotz der grundsätzlichen Öffentlichkeit des Untersuchungsausschusses „geheim!“. Wir setzen uns dafür ein, dass zumindest eine Fragerunde öffentlich ist. Uns interessiert vor allem, warum es dem BND nicht gelang, rechtzeitig ein zutreffendes Lagebild von den Entwicklungen in Afghanistan im Sommer 2021 zu zeichnen.
Für den 12. Oktober haben wir eine Zeugin aus dem Bundeskanzleramt geladen. Inzwischen haben wir uns auf die Themenblöcke bis Ende Februar geeinigt, von Fragen nach der Unterrichtung des Parlaments, den Versuchen von innerafghanischen Friedensverhandlungen bis hin zur heißen Phase im Sommer 2021. Im Jahr 2024 ist als ein Höhepunkt die Ladung der damaligen Bundeskanzlerin zu erwarten.
Zum Abschluss des Ausschusses – der noch nicht abzusehen ist – wollen wir anhand der Untersuchungsergebnisse empfehlen, was aus den gewonnenen Erkenntnissen zu lernen ist. Der Ausschuss tagt in der Regel öffentlich.
Mehr Informationen und Anmeldung:
https://www.bundestag.de/ausschuesse/untersuchungsausschuesse/ua01