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Die heiße Phase beginnt

Bundestag, Friedenspolitik

In der letzten Sitzung erfuhren wir im Untersuchungsausschuss Afghanistan viel aus dem Innenleben der deutsch-amerikanischen Beziehungen

Für einen Untersuchungsausschuss sind pensionierte Diplomat*innen ein Glücksfall. Noch immer verfügen sie über ihren „gefühlten Dienstgrad“, haben jedoch endlich die Beinfreiheit, all dass zu erzählen, was sie innerlich schon lange bewegte, aber nie öffentlich sagen durften.

So auch Dr. Emily Haber, die ehemalige deutsche Botschafterin in Washington von 2018 bis zum Sommer 2023. Seitdem ist sie in Pension. Sie berichtete, wie seit Frühjahr 2021 das Thema Afghanistan wieder an Bedeutung gewann. Besonders anstrengend war für sie, dass eigentlich verlässliche vom Regierungsapparat getroffenen Aussagen durch einen Tweet von Donald Trump über den Haufen geworfen werden konnten. Gleichzeitig machte sie klar, dass für sie als Botschafterin es noch viele andere Themen gab und sie keine Afghanistan-Expertin sei.

Wir konzentrierten uns daher bei der Befragung auf zwei Aspekte. Erstens, wie sie in Washington den Umgang mit dem Doha-Abkommen wahrgenommen und ans „Mutterhaus“ (das Auswärtige Amt) in Berlin berichtet habe. Und zweitens, wie sie die Ereignisse, die zum Fall Kabuls führten, wahrgenommen und kommuniziert hat.

Interessant fand‘ ich vor allem ihre Hinweise auf die kulturellen Unterschiede zwischen deutschen und US-amerikanischen Politiker*innen. Während deutsche Politiker*innen statisch an ihren Grundinteressen festhalten (das in Afghanistan Erreichte dürfe nicht umsonst gewesen sein), sei die „politische Klasse“ in den USA eben in der Lage, „zweigleisig zu fahren“ und kann parallel einen militärischen Abzug vorbereiten. Diese „Ambiguitätstoleranz“ (die Fähigkeit, Vieldeutigkeit und Unsicherheit zur Kenntnis zu nehmen und ertragen zu können) hielten US-Akteure viel besser aus.

Ich hatte den Eindruck, dass Emily Haber in der ersten August-Hälfte 2021 mit allen ihr zur Verfügung stehenden Mitteln versuchte, Berlin mit aktuellen Informationen zu versorgen. Doch beispielsweise sei eine von ihr an einem Freitag versandte Mail den relevanten Stellen erst nach dem Wochenende vorgelegt worden. Dieses die Eskalation der Entwicklung nicht wahr haben wollen ging so weit, dass sie von der Zentrale „in den Urlaub“ geschickt wurde.

Enttäuschend war dagegen der Auftritt eines Referenten des Bundesnachrichtendienst (BND), seine fast zweistündige Befragung führte zu wenig Erkenntnisgewinn und war von großen Erinnerungslücken dominiert.

Mitte Januar sind wir dann in die „Heiße Phase“ in Kabul im August 2021 eingestiegen. Wieder von „unten nach oben“ befragten wir zuerst eine Referentin, die in den meisten Mails ins CC gesetzt war und zu den „letzten acht Mitarbeiter*innen in der Deutschen Botschaft im August“ gehörte. Wie wurde die Verschlechterung der Sicherheitslage wahrgenommen und wer entschied wie über die zu Evakuierenden? Wie konnte es dazu kommen, dass eine Bundeswehr-Maschine fast leer aus Kabul startete? Auch ein weiterer Referent, der schon im Juli 2021 das AA auf die massive Verschlechterung der Sicherheitslage hinwies, wurde befragt. Was passierte mit seiner Information? Wurde diese ernst genommen und darauf reagiert?

Leider nicht öffentlich war die anschließende Befragung des damaligen stellv. Leiters der BND-Residenz in Kabul.

Voraussichtlich am 1. Februar 2024 werden wir mit der damaligen stellvertretende afghanischen Flüchtlingsministerin Alema Alema und dem seinerzeitigen afghanischen Außenminister Mohammad Hanif Atmar weitere afghanische Stimmen hören. Für uns als Grüne sind gerade diese afghanischen Stimmen wichtig. Doch damit stoßen wir selbst bei unseren Ampel-Partnern ab und zu auf Widerstand.

Je mehr wir uns der heißen Phase nähern, umso mehr steigert sich auch das Interesse der Presse. So ist in der ZEIT ein umfangreicher zweiseitiger Artikel zum Thema erschienen, ebenso in der „taz“.

https://www.zeit.de/2024/02/bundeswehr-einsatz-afghanistan-abzug-untersuchung

https://taz.de/Afghanistan-Untersuchungsausschuss/!5981114&s=Afghanistan/

Zum Abschluss des Ausschusses – der noch nicht abzusehen ist – wollen wir anhand der Untersuchungsergebnisse empfehlen, was aus den gewonnenen Erkenntnissen zu lernen ist. Der Ausschuss tagt in der Regel öffentlich.

Mehr Informationen und Anmeldung:

https://www.bundestag.de/ausschuesse/untersuchungsausschuesse/ua01