In der neusten Ausgabe von "Profil Grün" hat Gisela Hüber ein Portrait über mich veröffentlicht
In der Dezember-Ausgabe von „Profil Grün“, das Magazin der grünen Bundestagsfraktion, ist ein ganzseitiges Portrait über mich und meine Arbeit sowohl im Wahlkreis als auch im Bundestag erschienen.Das Heft wird unter anderem an alle grüne Mitglieder versandt.
Hier zur PDF auf der Seite der grünen Bundestagsfraktion:
@LieblingXhain
Von Gisela Hüber
Ihrer Nähe zu den Menschen verdankt Canan Bayram das einzige grüne Direktmandat im Bundestag. Als konsequente Streiterin für Recht und Gerechtigkeit macht sie sich aber nicht nur Freunde.
Friedrichshain – sitzungsfreie Woche im Deutschen Bundestag. Für Canan Bayram steht die Arbeit in ihrem Wahlkreis an. Die Verdrängung der Menschen aus ihrem Kiez ist ein Topthema auf ihrer Agenda. Auch ihre Wohnung ist von den spekulativen Interessen eines skandi-navischen Großinvestors betroffen. Trotz Corona macht sie sich vor Ort ein Bild, dann eben mit Maske. „Ich sage immer: Bevor ihr mir erklärt habt, was Sache ist, komm ich lieber rum und schau es mir an. Inaugenscheinnahme nennen wir Jurist*innen das“, erklärt sie mit einem Augenzwinkern. „Wir sehen uns hier im Kiez als Vorreiter einer Gesellschaft, die niemanden ausgrenzt. Wovon man anderswo träumt, das leben wir schon.“ Auch die Verkehrspolitik beschäftigt hier viele Menschen, sie wollen sichere Straßen für Kinder, bessere Radwege. Tatsächlich ist die Straßenverkehrsordnung das Problem, sagt sie, also Bundesrecht. „Im Moment gilt das Recht des Stärkeren: Autofahrer*innen verdrängen Radfahrer*innen, die wiederum verdrängen die Fuß-gänger*innen. Und das müssen wir dringend ändern.“
Sie selbst ist viel mit dem Fahrrad und zu Fuß unterwegs in ihrem Kiez, Friedrichshain-Kreuzberg-Prenzlauer Berg Ost. Es ist der ehemalige Wahlkreis von Hans-Christian Ströbele, in dessen Fußstapfen sie getreten ist und dessen Rat sie schätzt. Sein Direktmandat hat sie neu erkämpft, zuvor hatte sie auch ihren Sitz im Berliner Abgeordnetenhaus dreimal direkt geholt. „Mir hat mal jemand gesagt: Sie wähle ich, ich weiß ja, wo ich Sie finde.“ LieblingXhain – ihr Twitter-Name ist Programm. Tatsächlich bedeutet ihr Vorname Canan „Liebling“, Everybody’s Darling ist sie deswegen noch lange nicht. Im Zweifel für den Wählerauftrag, auch wenn es Partei oder Fraktion nicht immer gefällt.
Sie spricht überlegt, mit sanfter, leicht angerauter Stimme. Hin und wieder blitzt der Zungenschlag ihrer Jugendjahre am Niederrhein durch. Als Sechsjährige kommt sie mit ihren Eltern und vier Geschwistern aus dem türkischen Malatya nach Deutschland. Der Vater arbeitet als Lehrer, die Mutter, gelernte Hebamme, in der Fabrik. Canan bricht das Gymnasium für eine kaufmännische Ausbildung ab. Schon früh stellt sie sich auf die Seite derer, die Unrecht erfahren. Mitte 20 holt sie auf dem zweiten Bildungsweg das Abitur nach und studiert in Bonn Rechtswissenschaft. Als Juristin arbeitet sie in verschiedenen Bundesministerien und zieht nach Berlin.
1999 steigt sie bei der SPD ein, weil sie das rot-grüne Projekt toll findet. Zehn Jahre später wechselt sie zu den Grünen. Sie hat es nicht bereut: „Die Grünen haben eine Streitkultur. Im Hinblick auf soziale Gerechtigkeit ist die grüne Bundestagsfraktion weiter, als die SPD es je war“, sagt sie.
Ihre Waffen sind Gesetze, die den Schwächeren mehr Rechte an die Hand geben. Zum Beispiel kleineren Läden wie Cafés oder Buchhandlungen, die durch horrende Mieterhö-hungen in ihrer Existenz bedroht sind. „Wen wundert es da, wenn unsere Städte nur noch von irgendwelchen Ketten besiedelt werden.“ Mit einem neuen Gewerbemietrecht will sie die kleinen Ladenbesitzer*innen schützen. „Wo der Staat Gerechtigkeitslücken lässt, stehe ich als Abgeordnete in der Verantwortung, sie zu schließen.“ Signifikant wichtig findet die Rechtspolitikerin deshalb auch die Rassismus-Studie zur Polizei. „Wenn ich Opfer einer Straftat bin und als migrantisch markierter Mensch selbst verdächtigt werde, dann ist die Polizei tatsächlich in einer Krise.“ Mit ihrer Bundestagsarbeit ist die 54-Jährige ganz zufrieden, aber sie will mehr. „Wir müssen den Klimawandel stoppen, wenn wir den Weltfrieden sichern wollen – das wird für mich immer drängender. Europa ist wichtig als Rechtsraum, aber auch als Friedensmacht.“
Sind ihre Eltern stolz darauf, was ihre Tochter erreicht hat? „Mein Vater findet schon ganz gut, was ich so mache.“ Ein bisschen liegt die Politik vielleicht doch in der Familie. Der Großvater mütterlicherseits war Politiker, seine Sturheit wird auch ihr nachgesagt, erzählt sie amüsiert. Ihre Tochter geht in Begleitung der Mutter zu Fridays for Future, zu Black Lives Matter aber lieber mit den Freundinnen. Wie hält sie es mit den Dingen, die das Leben für andere erst lebenswert machen: Freizeit, Sport, Essen gehen, Kultur? Nach kurzem Nachdenken die Antwort: „Ja, ich nehm alles.“ Ihr Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg bietet ja die ganze Vielfalt. Ein Paradies? Mit solchen Begriffen ist sie vorsichtig, aber: „schon schön“.