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Persönliche Erklärung zur Abstimmung über ein „Sondervermögen Bundeswehr“

Bundestag, Friedenspolitik

Bei der namentlichen Abstimmung zum „Sondervermögen Bundeswehr“ stimme ich mit Nein.

Deutschland hat eine besondere Verantwortung für den Frieden: „Im Bewusstsein seiner Verantwortung vor Gott und den Menschen, von dem Willen beseelt, als gleichberechtigtes Glied in einem vereinten Europa dem Frieden der Welt zu dienen, …“. Dieser Satz aus der Präambel unserer Verfassung ist Appell und Auftrag zugleich. Es bleibt richtig, eine Welt ohne Waffen, ohne Gewalt und in Frieden anzustreben. Sicherheit durch Abschreckung steht gemeinsamer Problemlösung entgegen. Das Konzept der Abschreckung arbeitet mit Bedrohung und setzt einen Kreislauf durch Aufrüstung und Konfrontation in Gang, der wiederum neue Gefahren erzeugt. Mit einer Aufrüstung der Bundeswehr um 100 Milliarden Euro würden wir uns für die kommenden Jahrzehnte auf Abschreckungskonzepte aus dem letzten Jahrhundert festlegen.

Ich verurteile den Angriff Russlands auf die Ukraine und die vielen Kriegsverbrechen, die mit jedem Tag der seit Beginn des Krieges vergeht, schlimmer werden und denen immer mehr Zivilist*innen zum Opfer fallen. Es steht für mich außer Frage, dass wir uns mit aller Kraft dafür einsetzen müssen, diesen Krieg zu beenden. Aber wenn wir Demokratie und Menschenrechte verteidigen wollen, dann müssen wir die gesamte Welt in den Blick nehmen. Wir brauchen Antworten auf die globale Gerechtigkeit und die sozialen Fragen. Wir brauchen Investitionen für den Einsatz für Klimagerechtigkeit und die Bekämpfung von Hunger und Armut in der Welt.

In das Grundgesetz gehören allgemeine, fundamentale Normen des Zusammenlebens. Dazu gehören die Kinderrechte, die Ergänzung des Gleichbehandlungsgrundsatzes um ein Verbot der Diskriminierung wegen sexueller Identität und die Streichung des Begriffs „Rasse“ aus dem Grundgesetz. Alles Vorhaben für die aktuelle Legislaturperiode aus dem Koalitionsvertrag. Aber keinesfalls ad-hoc-Regelungen, die sich aus einer aktuellen Notlage ergeben. Warum wird dann kein Sondervermögen für die Pflege, die Kindergrundsicherung oder andere soziale Aufgaben geschaffen?

Um diese Ausgaben zu tätigen, bräuchte es keine Grundgesetzänderung in der ein Sondervermögen aufgenommen wird. In Anbetracht der großen Herausforderungen, vor denen wir stehen, sollten wir die Schuldenbremse hinterfragen statt mit dem „Sondervermögen Bundeswehr“ am Grundgesetz herumzudoktern.

Zudem verschleiert der Begriff eines „Sondervermögens“ nur, dass es zurückgezahlt werden muss. Sollte man nicht von „Sonderschulden“ sprechen? Schneller als es viele im Augenblick wahrhaben wollen werden diese Schulden gegen Ausgaben für soziale Anliegen stehen, egal wo sie verbucht werden. Hinzu kommt, dass mit der Verabschiedung des Sondervermögens parteiübergreifend eine haushaltspolitische Vorfahrtsregel für Rüstungsausgaben über das Jahr 2027 hinaus verankert wird. Wenn auch nicht mit Verfassungsrang, aber als auf Dauer angelegter Grundkonsens.

Ein Sondervermögen allein für die Bundeswehr greift viel zu kurz. Die Frage, vor der wir stehen, ist größer: Es geht um nicht weniger als eine gelingende Zukunft für alle Menschen auf dieser Welt. Deshalb steht eine gemeinsame neue und globale Friedensordnung auf der Tagesordnung. Zur Umsetzung können uns dabei die von den Vereinten Nationen vereinbarten 17 Ziele für nachhaltige Entwicklung (Sustainable Development Goals der UN) als Leitplanken dienen.

Da diese Ziele angesichts des Schreckens des Krieges immer wieder in Vergessenheit geraten, möchte ich sie hier vollständig zitieren. Sie sind so viel wichtiger als jedes Jagdflugzeug und jeder Panzer und allein ihre Erwähnung öffnet so weit den Horizont, um was es auf dieser Erde wirklich geht:

1. Armut in all ihren Formen und überall beenden

2. Den Hunger beenden, Ernährungssicherheit und eine bessere Ernährung erreichen und eine nachhaltige Landwirtschaft fördern

3. Ein gesundes Leben für Menschen jeden Alters gewährleisten und ihr Wohlergehen fördern

4. Inklusive, gleichberechtigte und hochwertige Bildung gewährleisten und Möglichkeiten lebenslangen Lernens für alle zu fördern

5. Geschlechtergleichstellung erreichen und alle Frauen und Mädchen zur Selbstbestimmung befähigen

6. Verfügbarkeit und nachhaltige Bewirtschaftung von Wasser und Sanitärversorgung für alle gewährleisten

7. Zugang zu bezahlbarer, verlässlicher, nachhaltiger und moderner Energie für alle sichern

8. Dauerhaftes und nachhaltiges Wirtschaftswachstum, produktive Vollbeschäftigung und menschenwürdige Arbeit für alle fördern

9. Eine widerstandsfähige Infrastruktur aufbauen, breitenwirksame und nachhaltige Industrialisierung fördern und Innovationen unterstützen

10. Ungleichheit in und zwischen Ländern verringern

11. Städte und Siedlungen inklusiv, sicher, widerstandsfähig und nachhaltig gestalten

12. Nachhaltige Konsum- und Produktionsmuster sicherstellen

13. Umgehend Maßnahmen zur Bekämpfung des Klimawandels und seiner Auswirkungen ergreifen

14. Ozeane, Meere und Meeresressourcen im Sinne nachhaltiger Entwicklung erhalten und nachhaltig nutzen

15. Ökosysteme schützen, Wälder nachhaltig bewirtschaften, Wüstenbildung, Bodendegradation und den Verlust der biologischen Vielfalt beenden

16. Friedliche und inklusive Gesellschaften für eine nachhaltige Entwicklung fördern, allen Menschen den Zugang zur Justiz ermöglichen

17. Umsetzungsmittel stärken und die globale Partnerschaft für nachhaltige Entwicklung mit neuem Leben erfüllen

Nur internationale Solidarität und Zusammenarbeit in diesen Fragen werden uns vor Ressourcenkonflikten und unendlichem Leid durch Dürre, Hunger und Krieg bewahren. Nicht mit Waffen, sondern nur mit einem ganzheitlichen Ansatz können wir eine neue Weltfriedensordnung schaffen.