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Persönliche Erklärung von Canan Bayram zu ihrem „Ja“ zur Evakuierungsmission in Afghanistan

Bundestag, Friedenspolitik

Erklärung der Abgeordneten Canan Bayram (Bündnis 90/Die Grünen) am 25.08.2021 zu TOP 1 b): Beratung des Antrags der Bundesregierung zum Einsatz bewaffneter deutscher Streitkräfte zur militärischen Evakuierung aus Afghanistan (BT-Drs. 19/32022)

Der Krieg in Afghanistan war falsch. Wie mein Vorgänger Hans-Christian Ströbele habe ich gegen den Einsatz der Bundeswehr in Afghanistan gestimmt. Die militärische Intervention ohne ernsthafte Bemühungen um Friedensverhandlungen war falsch. 

Durch den Einsatz wurden Menschen gefährdet, welche die westliche Intervention unterstützt haben und nun der Bedrohung an Leib und Leben durch die Taliban ausgesetzt sind. Die Bundesregierung hat sich durch den planlosen Abzug aus der Verantwortung gestohlen und die Menschen im Stich gelassen. 

Schon im April 2019 hatten wir von Bündnis 90/Die Grünen die Bundesregierung aufgefordert, wenigstens sog. afghanische Ortskräfte und ihre Familienangehörigen zu retten (BT-Drs. 19/9274). Noch im Juni 2021 stimmten die Regierungsfraktionen dagegen. Trotz Warnungen aus der Bundeswehr, der Zivilgesellschaft, zahlreicher Medien und auch über Fraktionsgrenzen hinweg aus dem Parlament ist die Bundesregierung ihrer Verantwortung nicht nachgekommen, bis die Lage schließlich eskalierte. Mehrere Berichte sagen, dass die Einnahme Kabuls durch die Taliban von Nachrichtendiensten und Botschaftspersonal früher vorhergesagt und konkrete Vorbereitungen zur Evakuierung dringend angemahnt wurden. Die Bundesregierung hat Stimmen aus den Ministerien und der Botschaft ignoriert und damit kostbare Zeit zur Rettung von Menschenleben verspielt. Dafür trägt sie die Verantwortung.

Die Sicherheitslage hat sich für die Zivilbevölkerung in Afghanistan schon in den letzten zehn Jahren stetig  verschlechtert. Schon vor dem Abzug der deutschen und internationalen Truppen galt es als das unsicherste Land der Welt. Statt immer weiter unendlich lange sinnlos Krieg zu führen, hätte die Bundesregierung alles für eine langfristige Friedensperspektive tun müssen. Dafür hätte sie direkte deeskalierende Gespräche mit allen Konfliktparteien vor Ort unternehmen sollen, so wie sie in der Vergangenheit in Einzelfällen von der Bundeswehr schon erfolgreich geführt wurden. Ein Angebot hätte sein können: Entwicklungshilfe für die Achtung von Menschenrechten und insbesondere Rechte und den Schutz von Frauen in Afghanistan. 

Stattdessen wurden Waffen und Soldaten geschickt – und jetzt planlos abgezogen. Die Einführung einer demokratischen Gesellschaft ist gescheitert. Wie sich schon seit einiger Zeit abzeichnete, wurden die Taliban wurden nie vollständig zurückgedrängt. Sie kontrollierten auch schon vor Abzug der Truppen große Teile des Landes. Und jetzt war es für sie ein Leichtes, in nur wenigen Tagen die Kontrolle über annähernd das gesamte Land und auch die von der Bundesrepublik geschickten Waffen zu erlangen. 

Erst am 24. Februar 2021 erhielt ich auf meine Frage nach einem Abzugsplan aus Afghanistan vom Bundesministerium der Verteidigung die  Antwort, dass die internationale militärische Unterstützung ein wichtiger Faktor für den innerafghanischen Friedensprozess sei. Ein gemeinsamer Abzug mit den NATO-Partnern sei nur möglich, wenn die Lage im Land es erlaube. Nur vier Monate später wurden die deutschen Truppen aus Afghanistan abgezogen – und die Menschen vor Ort im Stich gelassen. 

Diese Feststellungen helfen den Menschen vor Ort jedoch nicht aus ihrer lebensgefährlichen Lage. Jetzt muss es erst einmal darum gehen, sie so schnell wie möglich zu evakuieren. Dabei sollten nicht nur deutsche Staatsbürger*innen, sog. Ortskräfte und ihre Angehörigen in Sicherheit gebracht werden, sondern auch Mitarbeiter*innen von Subunternehmern, von Hilfsorganisationen, von Frauenrechtsorganisationen, Menschenrechtsaktivist*innen, Kulturschaffende, Journalist*innen und andere Verteidiger*innen einer offenen Gesellschaft in Afghanistan, die jetzt um ihr Leben fürchten müssen.

Bei der heutigen Entscheidung geht es nicht um die Beteiligung an einem Krieg, sondern an der Evakuierung von Menschen aus einer Gefahr, die die Bundesregierung mitverursacht hat. Zum Schutz all dieser Menschen stimme ich für diesen Einsatz, auch wenn unklar ist, ob schon mit dem Ablauf dieses Tages die Evakuierungsmission beendet werden muss.