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Persönliche Erklärung zum Klimaschutzgesetz

Bundestag

Erklärung der Abgeordneten Canan Bayram (Bündnis 90/Die Grünen) nach § 31 GO-BT am 26. April 2024 zu ZP: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes, Drucksache 20/8290 

Bei dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Zweiten Gesetzes zur Änderung des Bundes-Klimaschutzgesetzes stimme ich mit nein. 

Meine Entscheidung beruht auf den folgenden Erwägungen:

Diese Novelle des Klimaschutzgesetzes macht die Erfüllung der Klimaziele schwieriger und wirft juristische Fragen auf.

Der Gesetzentwurf sieht vor, statt der bisherigen Sektorziele in Zukunft eine Betrachtung der Gesamtbilanz der Emissionen vorzunehmen. Bisher mussten diejenigen Ressorts, die ihre Vorgaben nicht erfüllt haben, in Form eines Sofortprogramms nachsteuern. Dieser Mechanismus soll in Zukunft entfallen. Vorgaben zur Emissionsminderung in den einzelnen Sektoren werden damit de facto abgeschafft. Die Sektorziele bleiben zwar als Zahlen im Gesetz stehen, deren Nicht-Einhaltung hat aber keine Rechtsfolgen mehr.  Gerichtsurteile, die Verkehrs- und Gebäudesektor effektiv zu mehr Maßnahmen verpflichtet haben, werden so ausgehebelt.

Gemäß den Vorgaben der EU-Klimaschutzverordnung und den dort enthaltenen neuen Effort-Sharing Zielen müssen alle Sektoren die Treibhausgasemissionsreduktionsziele erreichen. Für Deutschland sind -38% gegenüber des Referenzjahres 2005 verpflichtend pro Sektor (Verkehr, Gebäude, Landwirtschaft) vorgesehen. Da dies im Verkehrssektor bisher nicht eingehalten wird, ist Deutschland gem. Art. 8 der Verordnung verpflichtet, zusätzliche Maßnahmen zu ergreifen sowie einen Zeitplan vorzulegen („Sofortprogramm“), um dies einzuholen. Ein „Ausgleich“ durch die verringerten Emissionen in anderen Sektoren, zum Beispiel dem Energiebereich, ist im EU-Recht nicht vorgesehen. Stattdessen drohen ein Vertragsverletzungsverfahren sowie Strafzahlungen in zweistelliger Milliardenhöhe. Hinzu kommen die Kosten des Zukaufs von Zertifikaten. 

Darüber hinaus ist zu befürchten, dass eine Abkehr von den Sektorzielen den politischen Handlungsdruck für wirksame Klimaschutzmaßnahmen in einzelnen Sektoren absehbar reduzieren und Pfadabhängigkeiten schaffen wird. Das können wir uns nicht erlauben. 

Auch aus rechtsstaatlicher Sicht ist das Gesetz problematisch: Zuletzt wurde die Bundesregierung am 30.11.2023 vom Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg dazu verurteilt, Sofortprogramme für die säumigen Sektoren Gebäude und Verkehr vorzulegen. Statt sich daran zu halten, will die Bundesregierung nunmehr das dem Urteil zugrundeliegende Recht ändern. 

Bei der Öffentlichen Anhörung im Ausschuss für Klimaschutz und Energie wurde von den Sachverständigen kritisiert, dass das Gesetz Reduktionslasten in die Zukunft und damit auf zukünftige Generationen verschiebe. Das nächste Klimaschutzprogramm wird erst 2026 fällig, die nächste Nachsteuerung der Klimaschutzmaßnahmen nach allen vorliegenden Erkenntnissen frühestens 2026 und das nur unter der Voraussetzung, dass die Projektion sowohl 2025 als auch 2026 verfehlt wird. Das wird nicht dazu führen, dass es einfacher wird, auf den Zielpfad im Verkehrsbereich zurückzufinden, denn die Bugwelle der aufgestauten CO2-Emissionen wird sich noch größer auftürmen. Damit einhergehend wird es äußerst schwer sein, die europäischen Klimaschutzziele zu erreichen. Dies widerspreche den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts aus seinem wegweisenden Klimaschutz-Urteil. Der Gesetzentwurf sei „nicht ansatzweise mit der 1,5 Grad-Grenze kompatibel“ und führe zu “Verantwortungsdiffusion“. Er diene lediglich der Verschleierung ungenügender Klimaschutzbemühungen.

Klar ist, dass wirksame Klimaschutzmaßnahmen ohnehin schnellstmöglich in allen Sektoren ergriffen werden müssen. Ein Aufschub dieser Maßnahmen wird uns und zukünftige Generationen – nicht nur finanziell – teuer zu stehen kommen. Eine Gesetzesänderung, die einer weiteren Verzögerung der erforderlichen Maßnahmen in allen Sektoren Vorschub leistet, nur um einzelnen Ministerien von ihren ohnehin europarechtlich verpflichtenden Aufgaben zu entbinden, kann ich nicht mittragen.