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Persönliche Erklärung zur Anpassung des Sozialgesetzbuchs

Bundestag

Erklärung der Abgeordneten Canan Bayram (Bündnis 90/Die Grünen) am 09.11.2023 zu TOP 15: Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Anpassung des Zwölften und des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Gesetze (BT-Drucksache 20/8344)

 

Bei dem von der Bundesregierung eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Anpassung des Zwölften und des Vierzehnten Buches Sozialgesetzbuch und weiterer Gesetze stimme ich mit nein.

Meine Entscheidung beruht auf den folgenden Erwägungen:

Die Kürzungen von Leistungen für in Gemeinschaftsunterkünften untergebrachte Geflüchtete und das damit verfolgte Ziel, Menschen davon abzuhalten, nach Deutschland zu fliehen, widersprechen der Schutzverpflichtung für die Menschenwürde gemäß Artikel 1 Abs. 1 des Grundgesetzes. Das hat bereits das Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 18. Juli 2012 festgestellt: Regelungen, die zu einer Unterschreitung des menschenwürdigen Existenzminimums führen, sind verfassungswidrig. Menschen dürften nicht dazu instrumentalisiert werden, um migrationspolitische Interessen zu verfolgen.

Es stellte fest: Der Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum ist ein Menschenrecht und „umfasst sowohl die physische Existenz des Menschen als auch die Sicherung der Möglichkeit zur Pflege zwischenmenschlicher Beziehungen und ein Mindestmaß an Teilhabe am gesellschaftlichen, kulturellen und politischen Leben. Das Grundrecht steht deutschen und ausländischen Staatsangehörigen, die sich in der Bundesrepublik Deutschland aufhalten, gleichermaßen zu.“

Und: „Falls der Gesetzgeber bei der Festlegung des menschenwürdigen Existenzminimums die Besonderheiten bestimmter Personengruppen berücksichtigen will, darf er bei der konkreten Ausgestaltung existenzsichernder Leistungen nicht pauschal nach dem Aufenthaltsstatus differenzieren. Eine Differenzierung ist nur möglich, sofern deren Bedarf an existenznotwendigen Leistungen von dem anderer Bedürftiger signifikant abweicht und dies folgerichtig in einem inhaltlich transparenten Verfahren anhand des tatsächlichen Bedarfs gerade dieser Gruppe belegt werden kann.“

Die Änderung bedeutet für Geflüchtete in Gemeinschaftsunterkünften ohne Selbstversorgungsmöglichkeit einen erheblichen Eingriff in das Selbstbestimmungsrecht sowie eine Verschlechterung ihrer Teilhabechancen, die ihre Integration behindern, statt sie zu befördern. Dass diese Änderung positive Ergebnisse erzielen kann, ist zu bezweifeln.

Deswegen kann ich diesem Gesetz nicht zustimmen.