icon-arrowicon-cardsicon-closeicon-hamburgericon-search

Persönliche Erklärung zur Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am NATO-geführten Einsatz in Afghanistan

Bundestag, Friedenspolitik

Erklärungen nach § 31 GO zu der namentlichen Abstimmung über die Beschlussempfehlung des Auswärtigen Ausschusses zu dem Antrag der Bundesregierung: Fortsetzung der Beteiligung bewaffneter deutscher Streitkräfte am NATO-geführten Einsatz Resolute Support für die Ausbildung, Beratung und Unterstützung der afghanischen nationalen Verteidigungs- und Sicherheitskräfte in Afghanistan

Heute stimme ich gegen die Fortführung des Bundeswehreinsatzes in Afghanistan. Seit 2001 gibt es einen NATO-geführten Krieg in Afghanistan, an dem sich seit 2011 – in unterschiedlicher Funktion und Mandatierung – auch deutsche Truppen beteiligen. Die jüngsten NATO-Soldaten, die am Einsatz beteiligt sind, waren noch nicht geboren, als der Krieg begonnen wurde. Wir haben es mit dem längsten Einsatz der Bundeswehr in der Geschichte der Bundesrepublik zu tun. Vorab: Eine Verbesserung der Lage vor Ort hinsichtlich Sicherheit, dem Zurückdrängen radikal-islamistischer Kräfte oder aber der Einführung einer demokratischen Gesellschaft ist in all den Jahren nicht zu verzeichnen.

Dahin gehend nicht genug, befindet sich die Bundeswehr in einer unsicheren Situation bezüglich ihrer militärischen Partner. Abzugspläne beispielsweise der US-amerikanischen Truppen und gar Verhandlungen einzelner Partner mit den radikalen Taliban ohne Berücksichtigung des Bundeswehreinsatzes schaffen eine Lage, die für die Soldaten der Bundeswehr massive Sicherheitsgefährdungen bedeutet. Beim Aufbau ziviler Strukturen zu helfen, daran ist im Zuge solch einer veränderten Ausgangs- und Sicherheitslage innerhalb dieses Einsatzes nicht mehr zu denken. Vom eigentlichen Ziel, die radikal-islamistischen Taliban zu besiegen und eine Demokratie in Afghanistan zu errichten, ist man entfernter als noch vor Beginn des Einsatzes. Ein Weiter-so entbehrt deswegen jeglicher Logik. Die Ziele des Einsatzes sind einfach nicht mehr zu erreichen. Ein konsequentes Umdenken muss einsetzen.

Die Stärkung von Demokratie und der Aufbau ziviler und entwicklungspolitischer Strukturen müssen gänzlich vom Einsatz der Bundeswehr entkoppelt werden. Hierzu muss es ein komplett neues Konzept geben, das an die aktuellen Erfordernisse angepasst ist. Mittlerweile wissen wir, dass die – von der internationalen Gemeinschaft anerkannte – afghanische Regierung nur noch weniger als die Hälfte des Landes kontrolliert. Es kommt immer wieder zu massiven Anschlägen auf Einrichtungen der Verwaltung, auf Zivilisten und auf militärische Ziele. Auch die Ausbildungsmission der Bundeswehr für die Regierungstruppen kann in diesem Zusammenhang nur als Katastrophe angesehen werden: Mehr als ein Drittel der Soldaten in Ausbildung desertieren und schließen sich zum Teil anderen kämpfenden Verbänden an.

Im Januar dieses Jahres war ich mit einer Delegation des Verteidigungsausschusses in Afghanistan. Dort konnten wir das Lager in Masar-i-Scharif nicht verlassen. Ebenso geht es vielen deutschen Soldaten vor Ort. Meine Nachfrage, wie viele Söldner in der Region sind, konnte die Bundesregierung nicht beantworten. Klar ist, dass Teile der Taliban vom Nachbarland Pakistan unterstützt werden. Selbst privat organisierte Kampfeinheiten der organisierten Kriminalität sind im Einsatz. Die Lage ist unvorhersehbar und für die deutschen Soldaten objektiv lebensbedrohlich. Daher stimme ich gegen dieses Bundestagsmandat. In vielen Gesprächen wurde klar, dass das Land unsicher ist und wir eine andere Lösung für den Konflikt vor Ort brauchen. Zivile Lösungen und Programme müssen her. Natürlich sind diese teuer und bedürfen einer neuen Konzeption. Nichtsdestotrotz müssen diese Anstrengungen versucht werden. Vor dem Hintergrund der katastrophalen
Entwicklung und Nichterreichen der selbstgesteckten Ziele ist jede Anstrengung nur folgerichtig. Die Bundesregierung muss sich eingestehen, dass sie in Afghanistan gescheitert ist. Es entsteht der Eindruck, dass die deutschen Soldaten nur vor Ort verbleiben, damit die Bundesregierung nicht zugeben muss, dass sie den Krieg in Afghanistan verloren hat.

Darum werde ich einer Verlängerung des Einsatzes auch nicht zustimmen.
Der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan ist überfällig.