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Podiumsdiskussion zur Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen

Antidiskriminierung, Bundestag, Bürger*innenrechte, Strafrecht

Selbstbestimmung ist kein Verbrechen

Am Freitag, den 24. Juni 2022, haben wir gemeinsam mit unseren Koalitionspartnern endlich das „Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche“ nach § 219a StGB abgeschafft. Doch das kann nur der Anfang sein. Denn Schwangerschaftsabbrüche sind sowohl für die Ärzt*innen als auch für die schwangere Person in Deutschland noch immer gemäß § 218 StGB strafbar.
Deswegen habe ich am 18.05.2022 gemeinsam mit vier Expertinnen im Kreuzberger „aquarium“ den Blick in die Zukunft gerichtet und diskutiert, wie der Schwangerschaftsabbruch im Einklang mit der Verfassung außerhalb des Strafrechts geregelt werden kann. Einig waren sich die Podiumsteilnehmer*innen darüber, dass der Schwangerschaftsabbruch als medizinische Behandlung im Strafgesetzbuch an der falschen Stelle geregelt ist. Vielmehr  plädierten die Podiumsteilnehmerinnen dafür, den Schwangerschaftsabbruch als Gesundheitsleistung anzuerkennen und der Zugang hierzu rechtlich und tatsächlich abzusichern. 
Dabei äußerte sich die Strafrechtsexpertin Inga Schuchmann von der Humboldt Universität Berlin in der Diskussion vorsichtig optimistisch, dass eine Entkriminalisierung des Schwangerschaftsabbruchs heutzutage vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand haben könnte.
Valentina Chiofalo vom Legal Team von doctors for choice und Expertin für Verfassungsrecht betonte, dass der Schwangerschaftsabbruch als Gesundheitsleistung auch konsequent im Gesundheitsrecht statt im Strafrecht geregelt werden müsse. Sie sprach sich außerdem deutlich dafür aus, die verpflichtende Beratung zu streichen und stattdessen freiwillige Beratungsangebote auszubauen.
Die ärztliche Perspektive brachte die Gynäkologin Dr. Eva Waldschütz vom Arbeitskreis Frauengesundheit e.V. in die Diskussionsrunde ein: Sie wies mit Nachdruck darauf hin, dass  jeder Mensch mit Uterus potentiell auf die Durchführung eines Schwangerschaftsabbruchs angewiesen ist. Aus ihrer Sicht handelt es sich in erster Linie um eine medizinische und nicht eine juristische Frage, wie und in welchen Fällen der Schwangerschaftsabbruch durchzuführen ist. 
Die Bundestagsabgeordnete und frauenpolitische Sprecherin von der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen Ulle Schauws sprach unmissverständlich aus, worum es konservativen Abtreibungsgegner*innen in Wahrheit ginge: Eine Frau oder Person mit Uterus, die einen Abbruch durchführen lasse solle sich schuldig fühlen. Die dahinter stehende moralische Wertung sei Ausdruck des langen Arms des Patriarchats. 
Klar ist: Entscheidungen für oder gegen einen Schwangerschaftsabbruch müssen von den Betroffenen selbstbestimmt gefällt werden können. Die in der politischen Diskussion häufig vorgenommene Gegenüberstellung von Frauen, die bereits Kinder haben und solchen, die noch keine Kinder haben ist aus meiner Sicht falsch und entspricht nicht der Realität der Betroffenen. Diese Einschätzung wurde von Dr. Eva Waldschütz geteilt, die darauf hinwies, dass die meisten Abbrüche Personen in Anspruch nehmen, die bereits Kinder haben.
Dass der Abend einen wichtigen Impuls gesetzt hat, haben nicht zuletzt die klugen Fragen aus dem Publikum und den online zugeschalteten Zuhörer*innen gezeigt, über die ich mich sehr gefreut habe. 
Die aktuellen Einschränkungen reproduktiver Rechte, beispielsweise durch das aktuelle Urteil des Supreme Court in den USA zeigen, dass der Kampf um körperliche Selbstbestimmung weltweit weiter geführt werden muss. Deswegen werde ich mich im Deutschen Bundestag weiterhin für die Entkriminalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen einsetzen, denn gerade jetzt gilt umso mehr: Selbstbestimmung ist kein Verbrechen.
Die vollständige Podiumsdiskussion gibt es auf meinem YouTube-Kanal.