icon-arrowicon-cardsicon-closeicon-hamburgericon-search

„Polizeigewalt gibt es auch in Deutschland“

Antidiskriminierung, Bürger*innenrechte, Presseecho

Das Interview mit Christine Dankbar von der Berliner Zeitung am 10. Juni 2020

Seit vielen Jahren befasse ich mich mit Minderheiten und deren Rechten. Das neue Antidiskriminierungsgesetz in Berlin halte ich für eine Chance. Darüber habe ich mit Christine Dankbar von der Berliner Zeitung gesprochen …

Hier der Link zum Interview:

https://www.berliner-zeitung.de/politik-gesellschaft/polizeigewalt-gibt-es-auch-in-deutschland-li.86721

Und hier der Text des Interviews:

Canan Bayram ist eine regelmäßige Beobachterin von Demonstrationen in Berlin. Über die Auseinandersetzung nach dem Protest am Alexanderplatz hat sie eine differenzierte Meinung.

Die SPD-Vorsitzende Saskia Esken sagt, dass es auch in Deutschland Rassismus bei der Polizei gibt. Sind Sie ihrer Meinung?

Frau Esken sagt, es sei ein latenter Rassismus vorhanden. Das finde ich ehrlich gesagt seltsam, weil das so ein bisschen unterstellt, dass es unbewusst geschieht. Die Frage ist, ob die Polizei Strukturen hat, die die Gefahr in sich bergen, rassistisch zu sein. Das kann man nur mit Ja beantworten.

Ist das so eindeutig?

Mir wird geschildert, dass die Erfahrung der Polizisten ist, dass sie Schwarze eher als zu kontrollierende Personen wahrnehmen und weniger als Freunde, Nachbarn und ähnliches. Die Erfahrung der Polizisten ist, wenn ich einen Schwarzen kontrolliere, dann kommt immer etwas heraus, ein Aufenthaltsverstoß oder ähnliches. Dann hat man gleich ein Erfolgserlebnis. Für die Menschen aber, die morgens in der U8 zur Arbeit fahren und dabei kontrolliert werden, entsteht so ein ständiges Gefühl, nicht dazuzugehören.

Gibt es auch rassistisch motivierte Gewalt durch die Polizei in Deutschland?

Natürlich haben wir Fälle, etwa den von Oury Jalloh. Auch der Fall des geflüchteten Syrers Ahmed A., der in der JVA Kleve zu Tode gekommen ist, hat Ansätze von strukturellem Rassismus. Wir hatten in Kreuzberg mal den Fall des Familienvaters Liam G., den zwei betrunkene Polizisten in ihrer Freizeit verprügelt haben. So etwas ist eine Realität, die kann man nicht wegdiskutieren. Solche Vorfälle gibt es immer wieder.

Am Wochenende war die Schweigedemo am Alexanderplatz, nach der es ja auch zu Prügeleien zwischen Polizei und schwarzen Demonstranten kam. Wie haben Sie das erlebt?

Ich selbst bin nicht richtig in den Platz hineingegangen, ich fand das einfach zu voll. Ich fand auch, dass das für die Polizei eine schwierige Situation war, da ja faktisch die meisten Demonstranten gegen Auflagen verstoßen haben. Es war schon absehbar, dass die Situation eskalieren kann.

Ist sie dann ja auch, oder?

Ich habe den Fall von einem jungen Mann bei Facebook gesehen, der angibt, er sei krankenhausreif geschlagen worden. Aus dem Video kann man aber nicht sehen, was im Vorfeld passiert ist. Dieser Schnipsel vor dem U-Bahn-Eingang, wo der Polizist mit dem Hund noch involviert ist. Da ist das Problem schon, dass der Betroffene die Polizei schubst, das ist schon eine Widerstandshandlung. Da muss man ganz klar sagen, das geht leider schon schlecht los. Am Boden liegend versucht er dann noch, dem Polizisten die Beine wegzuziehen, soweit ich das gesehen habe.

Die Polizisten steigen auf diesen Videoschnipseln aber schon heftig in die Auseinandersetzung ein.

Das wird in der Polizeiausbildung geübt und ist bei der Anwendung unmittelbaren Zwanges kein unübliches Verfahren. Die Beamten gehen dann an manchen Stellen heftiger ran, um den Widerstand zu brechen, mit dem sogenannten Schockschlag. Das ist von außen nur schwer zu unterscheiden von rechtswidriger Gewalt. Das würde sich aufklären lassen, wenn man sich von der Szene noch andere Bilder anschaut und die jeweiligen Beamten anhört. Das ist jedenfalls eine Szene, die man so nicht richtig beurteilen kann. Was ich aber nicht verstehe, ist, warum sie bei den Minderjährigen so krass reingegangen sind. Das waren Kinder! Die Eltern mussten sie an der Gefangenensammelstelle abholen. Das waren die Jugendlichen, die sonst zu Friday for Future gehen. Das kann die Berliner Polizei besser. Ihr größtes Problem ist aber ein ganz anderes.

Welches?

Das sind der Rassismus und die Homophobie innerhalb der Polizei. Es gibt innerhalb der Polizei immer noch das heteronormative Männlichkeitsbild und demzufolge Homophobie gegen queere Menschen und Rassismus gegen Kollegen mit Migrationshintergrund. Das ist auch bekannt und da erhoffe ich mir vom Polizeibeauftragten eine Unterstützung der Bevölkerung, aber auch für die Polizisten.

Es gibt viel Kritik und Misstrauen an der Beweislastumkehr im neuen Antidiskriminierungsgesetz. Können Sie die teilen?

Kein einzelner Polizist muss irgendetwas beweisen. Es ist eine reine Umsetzung von rechtlichen Regelungen, die es ohnehin schon gibt. Ich denke, die Polizei wird die Erfahrung machen, dass das Antidiskriminierungsgesetz für sie nicht so schädlich ist, wie sie befürchten.