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Rede im Deutschen Bundestag zu Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (StrEG)

Bundestag, Strafrecht

Sehr geehrter Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
„Die Freiheit der Person ist unverletzlich“, sagt unser Grundgesetz. Wenn Menschen zu Unrecht die Freiheit entzogen wird, ist das ein rechtsstaatlicher und menschenrechtlicher Super-GAU. Der durch den Freiheitsentzug erlittene Rechtsverlust ist nicht mehr zu ersetzen. Er bleibt absolut. Man kann die Justizopfer nur entschädigen. Teil dieser Entschädigung ist die seit 2009
unveränderte Pauschale für den Ersatz immateriellen Schadens bei unrechtmäßiger Freiheitsentziehung. Dank der Initiative der Bundesländer Hamburg und Thüringen soll diese Pauschale nun von 25 auf 75 Euro pro Tag unrechtmäßiger Haft erhöht werden. Das ist unangemessen wenig, meine Damen und Herren, und wird dem Anspruch, den ein humaner Rechtsstaat an sich selbst stellen muss, nicht gerecht.

Man denke nur an den zivilrechtlichen Entschädigungsanspruch bei einem vertanen Urlaubstag. Wie unverhältnismäßig ist das denn, bitte schön? Die Bundesregierung und die Koalition haben trotz der Verhandlungsmacht des Bundes gegenüber den Ländern seit mehr als einem Jahrzehnt nichts für eine angemessene Erhöhung der Entschädigungsansprüche getan. Zu Unrecht inhaftierte Menschen haben wohl keine Lobby und finden erst recht keine Unterstützung bei der Bundesregierung oder dieser Koalition. Dabei brauchte es weitere Verbesserungen, meine Damen und Herren.

Dazu gehört die Rentenversicherungsnachversicherung von Amts wegen für infolge der Haft nicht geleistete Beiträge mit Beitragshöhe entsprechend fiktivem Arbeitsentgelt in Freiheit. Dazu gehören Beweiserleichterungen bei der Geltendmachung von Vermögensschäden. Dazu gehört, dass endlich der skandalös-zynische sogenannte Vorteilsausgleich für Kost und Logis für die unrechtmäßige Haftzeit abgeschafft wird.

Schließlich braucht es Hilfe bei der Reintegration zu Unrecht inhaftierter Menschen. Die Ankündigung aus der Koalition bei der Beratung dieses Gesetzentwurfs, zukünftig endlich tätig zu werden, darf nicht unverbindliche Ankündigung bleiben. Da nehme ich Sie beim Wort, liebe Kolleginnen und Kollegen.

Zwei Dinge aber können wir sofort beschließen: erstens die Pauschale von 75 Euro auf 150 Euro pro Hafttag zu erhöhen und zweitens das Gesetz rückwirkend zum 1. Januar 2020 in Kraft zu setzen. Beratungsverzögerungen aufgrund von Inaktivität der Koalition und wegen der Covid-19-Pandemie verschobener öffentlicher Anhörungen dürfen nicht zulasten der Betroffenen gehen, meine
Damen und Herren.

Deshalb bitten wir Sie um Zustimmung zu unserem Antrag.