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Rede von Canan Bayram im Deutschen Bundestag: Aktuelle Stunde – Verhältnis der Partei DIE LINKE. zur freiheitlich- demokratischen Grundordnung

Bundestag, Bürger*innenrechte

Vielen Dank. – Herr Präsident! Meine Damen und Herren! Ich musste vorhin kurz durchatmen.

Für jemanden wie mich, in deren Familie es Menschen gibt, die das DDR-Unrecht am eigenen Leibe erlebt haben, und als Vertreterin, die einen Wahlkreis repräsentiert – Friedrichshain –, in dem Menschen Unrecht erfahren haben, wodurch ihre Leben zerstört wurden, auch wenn sie nicht ihr physisches Leben verloren haben, war es in Teilen schwer auszuhalten. Das muss ich Ihnen ehrlich sagen, Frau Kipping.
Als ich diesen Beitrag, dieses Video, gesehen habe, war mein erster Gedanke: Hallo! Geht’s noch? Herr Riexinger, geht’s noch? – Was bedeutet eigentlich Menschenwürde? Was bedeutet es eigentlich, Menschenrechte zu achten? Was sagt es aus, wenn wir hier ständig darüber reden, wo wir die Grenze des Sagbaren setzen?

Wenn wir den Rechten vorwerfen, Menschen verächtlich zu machen: Was bedeutet es dann, auf einer solchen Veranstaltung keine Grenze zu ziehen? Hallo! Geht’s noch?
Das ist für mich nicht entschuldbar. Ich sage das in aller Deutlichkeit, weil ich auch in die
andere Richtung, Frau Teuteberg, ganz klar sage: Geht’s noch, FDP? Haben Sie Ihre Blockparteien in der DDR vergessen? Haben Sie Ihr Verhalten vor einigen Wochen
in Thüringen vergessen? Geht’s noch, FDP? Was meinen Sie eigentlich, welche Überlegenheit Sie haben, wenn Sie sich hierhinstellen, diese Aktuelle Stunde beantragen und den Eindruck erwecken wollen, als wenn Sie über allem stehen würden?

Das macht mich sehr wütend, und ich frage mich wirklich, ob ich die Einzige bin, die Menschen aus dem Osten und aus dem Westen kennt, selbst einen Migrationshintergrund hat und in dieser Woche hier diese Reden gehört hat. Die Rede, die mich am meisten bewegt hat, war die von dem FDP-Kollegen. Was er hier über seine Eltern und die Angst erzählt hat, habe ich auch von meinen Eltern erfahren. Ich habe gedacht: Es ist doch wirklich spannend, wenn wir hier über unsere Erfahrungen reden und damit auch im ganzen Haus verdeutlichen, dass wir alle gegenüber den Müttern, die bei den Anschlägen ihre Kinder verloren haben und deren Tränen noch nicht getrocknet sind, eine Verantwortung dafür haben, hier deutlich zu machen: Rechtsterrorismus darf in diesem Land keine Chance haben; dagegen stellen wir uns alle gemeinsam.

Ich wundere mich wirklich, für welche Spielchen hier Zeit ist. Ich muss mal sagen – der Jürgen Martens redet ja gleich noch –: Gestern Abend nach der Runde zum Strafrecht sind Sie mit dem Kollegen Straetmanns von der Linken noch einen trinken gegangen. Das hat mir gefallen. Das sage ich ganz ehrlich. So wünsche ich mir das. Unter den Demokraten müssen wir um die beste Lösung streiten. Aber lassen Sie uns hier doch keine Showkämpfe in Form einer Aktuellen Stunde veranstalten! Das haben die Menschen in diesem Land nicht verdient, und auch das Vergehen von Herrn Riexinger rechtfertigt so eine Aktion hier nicht.

Was mir wichtig ist: Die Kollegin Basay-Yildiz – eine Anwaltskollegin aus Frankfurt – hat im NSU-Prozess Hinterbliebene der NSU-Opfer als Nebenklagevertreterin
vertreten. Sie wird aktuell bedroht – selbst aus der Polizei heraus. Ihr Leben wird bedroht; das Leben ihres Kindes wird bedroht. Es gab verschiedene Anschläge. Bei uns
leben Menschen jüdischen Hintergrundes, muslimischen Hintergrundes, migrantischen Hintergrundes. Sie erwarten von uns, dass wir hier arbeiten. Verdammt noch mal!
Machen Sie doch Ihre Arbeit! Und dazu gehört auch, dass wir die AfD-Rechten rauslassen.

06.03.2020

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