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Rede von Canan Bayram zum Gesetzentwurf „Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Anwesenheit in der Verhandlung“

Bundestag, Strafrecht

Vielen Dank, Herr Präsident. – Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kurz nach Mitternacht darf ich auch etwas zu dem Thema beitragen, wobei ich sagen muss, dass einige meiner Vorredner und Vorrednerinnen bereits wichtige Aspekte aufgegriffen haben. Insofern will ich auch damit starten, deutlich zu machen, dass dieses Gesetz, das sich schon im Titel auf die „Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Anwesenheit in der Verhandlung“ beschränkt, der Umsetzung der eigentlichen Richtlinie nicht ganz gerecht wird. Das wurde in mehreren Beiträgen hier schon angesprochen. Wir sollten uns darüber Gedanken machen, warum es in dieser Form eingebracht wurde. Der Staatssekretär hat kurz etwas dazu gesagt. Aber die Debatte und Beiträge hier sind eh sehr kurz. Deswegen sollten wir das im Ausschuss ausführlich diskutieren.

Eine echte Umsetzung der Richtlinie hätte tatsächlich die Möglichkeit geboten, die Rechte des Angeklagten im Ermittlungs- und Strafverfahren nachhaltig zu stärken, insbesondere im Hinblick auf die Unschuldsvermutung, die auch in der Art und Weise, wie der Angeklagte im Verfahren dargestellt wird, zum Ausdruck kommen Dr. Jürgen Martens Deutscher Bundestag – 19. Wahlperiode – 55. Sitzung. Berlin, Donnerstag, den 11. Oktober 2018 6059 (A) (C) (B) (D) soll. Es geht darum, dass alle Beteiligten – das können Rechtspflegeorgane oder Bürgerinnen und Bürger sein – nicht jemanden zu sehen bekommen, der hinter Gittern sitzt, Handschellen angelegt hat oder anderweitig in einer Art und Weise vorgeführt wird, durch die der Eindruck entsteht: Na, da wird schon was dran sein.

Insbesondere der Republikanische Anwältinnen- und Anwälteverein hat deutlich gemacht, dass die „Stärkung bestimmter Aspekte der Unschuldsvermutung“ besser hätte herausgestellt werden können. Die Behauptung, zur Umsetzung der Richtlinie seien nur punktuelle Änderungen erforderlich, sei – das würde ich gerne zitieren – „eine ‚steile’ These“. Das heißt, letztlich wurde der entscheidende Gehalt der Richtlinie, nämlich die Stärkung der Rechte der Angeklagten, nicht in deutsches Recht umgesetzt.

Die Kollegen haben zur Verfristung und dazu, dass man das alles schon im April hätte machen können, einiges gesagt. Wenn man sich klarmacht, dass die Richtlinie eigentlich Bestandteil eines „Fahrplans zur Stärkung der Verfahrensrechte von Verdächtigen oder Beschuldigten in Strafverfahren“ ist, der zum Ziel hatte, einen Mindeststandard an Verfahrensgarantien in der EU zu verankern, dann merkt man, dass bei uns so wenig von dem Mindesten umgesetzt wird, dass wir auf jeden Fall noch im Ausschuss nachlegen müssen. Dazu habe ich hier einiges gehört. Auch wir werden unseren Beitrag dazu leisten.

Den kompletten Plenarverlauf können Sie hier nachlesen.