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Rede von Canan Bayram zum „Gesetzes zur Verbesserung der Inneren Sicherheit“

Bundestag, Strafrecht

Sehr geehrter Herr Präsident! Meine Damen und Herren!

Als ich den Gesetzentwurf das erste Mal gelesen habe, habe ich mich gefragt: Ist das ein Gesetzentwurf, oder kann das weg? Es ist tatsächlich erstaunlich, wie es einem Menschen, der vorher beruflich in einem Bereich eingesetzt war, den man nicht geringschätzen sollte, gelingt, so einen Gesetzentwurf zu schreiben. Dann habe
ich mich damit getröstet, dass er immerhin kein Buch geschrieben hat.

Das, was Sie hier ausführen, ist tatsächlich beachtlich, weil Sie sich sozusagen den ganzen Frust als früherer Staatsanwalt, der Sie ja vor Ihrer Abgeordnetentätigkeit waren, von der Seele geschrieben haben. Sie haben dann das eine mit dem anderen verwurschtelt, und am Ende ist etwas herausgekommen, bei dem Sie sich Sorgen machen müssen, was es über Sie aussagt. Die Fachlichkeit haben Sie hier komplett über Bord geworfen. Straf- und Verwaltungsrecht haben Sie durcheinandergeschmissen. Die Statistik – da haben Sie sich wahrscheinlich an Herrn Sarrazin orientiert – haben Sie aus dem Hobbykeller, und am Ende ist etwas herausgekommen, mit dem wir uns hier leider ernsthaft beschäftigen müssen.

Ich will mit dem anfangen, was die Kollegen schon angesprochen haben. Sie wollen die Revision abschaffen, aber Sie können nicht erklären, was Sie den Menschen stattdessen an die Hand geben wollen und wie Sie den Rechtsschutz, den Sie damit abschaffen wollen, ausgleichen. Sie wollen beim Jugendstrafrecht und beim Justizvollzug Änderungen vornehmen, ohne deutlich zu machen, wie Sie mit den Folgen dieser Änderungen umgehen wollen. Sie haben keine Antworten darauf. Sie
haben in Ihrer Rede gesagt, dass die Antworten nicht in eine Achtminutenrede passen, aber offenbar haben IhreAntworten auch nicht in den Gesetzentwurf reingepasst,
und da war die Zahl der Seiten unbegrenzt. Da hätten Sie uns ja informieren können.

Tatsächlich ist es ja so, dass Sie beim Thema „Migration und Einbürgerung“ und all dem, was in Ihrer Partei so dazu gesagt wird, ein Stück weit den Versuch unternehmen – so will ich es Ihnen einmal unterstellen –, das in eine rechtliche Form zu gießen, die das handhabbar macht. Aber ich muss Ihnen sagen: Auch da sind Sie kläglich gescheitert. Es ist Ihnen weder gelungen, verfassungskonforme Regelungen auf den Weg zu bringen,
noch, eine handhabbare Form dessen hier auf den Weg zu bringen. Die Kollegen haben es schon gesagt: Soll denn der Strafrichter nun auch die Arbeit des Verwaltungsrichters übernehmen? Wenn Sie das wollen, fragt sich: Warum eigentlich? Warum sollen wir etwas zusammenführen, was getrennt doch sehr gut gelingt? Die Antwort darauf bleiben Sie uns schuldig.

Angesichts der „Ausländer raus“-Parolen der AfD haben Sie ja die Anforderungen Ihrer Partei nicht ganz umgesetzt, weil Sie nicht so radikal sind, wie wir es hier sonst von Herrn Seitz oder Herrn Curio gewohnt sind. Man muss schon sagen: Eigentlich ist es ja wünschenswert, dass Leute, die in den Bundestag kommen, ihre Erfahrungen aus den Berufen, die sie früher ausgeübt haben, einbringen. Bei Ihnen als früherem Staatsanwalt
hätte man Hoffnung haben können, dass Sie hier etwas Ordentliches vorlegen. Aber das ist Ihnen nicht gelungen. Es ist vielleicht eine gewisse Ironie des Schicksals, dass 40 Jahre nach Gründung der Alternativen Liste gerade eine Grüne Ihnen hier bescheinigen muss, dass nach Ihrem hier vorliegenden Gesetzentwurf der Rechtsstaat in einer Art und Weise gefährdet wäre, dass selbst wir Grüne ihn gegen die AfD nicht nur verteidigen müssen, sondern auch verteidigen wollen. Deswegen werden wir diesen Gesetzentwurf auf jeden Fall ablehnen. Aber wir sind bereit, darüber im Ausschuss zu diskutieren.