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Rede von Canan Bayram zum Thema Strafgesetzbuch – Verunglimpfung der EU

Bundestag, Strafrecht

Vielen Dank. – Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen!
Tatsächlich stellt sich hier in erster Linie die Frage, ob durch das Unter-Strafe-Stellen von Meinungsäußerungen in welcher Form auch immer das Problem sich lösen lässt und inwieweit wir der Meinungsfreiheit den Vorrang vor dem Schutz von Flaggen, von Symbolen von Staaten, hier insbesondere der EU, geben wollen. Ich würde meinen, schon vor dem Bundesverfassungsgericht
würde das hier nicht bestehen können. Deswegen sollten wir uns das auch unter dem Aspekt anschauen. Hier steht: „Verunglimpfung der Europäischen Union“. Was heißt das eigentlich in der Praxis, wenn hier alle das beschließen, entspannt nach Hause gehen und denken, sie hätten ein großes Werk geleistet? Was heißt das eigentlich für diejenigen, die dann in einer Versammlung oder in
einer Situation, in der man das auslegen muss, entscheiden müssen, was es bedeutet? Das sind dann eben die Polizisten bzw. die Versammlungsbehörde oder die Ermittlungsbehörden, die damit befasst sind. Da kann ich Ihnen sagen, liebe Kolleginnen und Kollegen: Denen dürfen wir das nicht vor die Füße knallen, was wir hier nicht gelöst bekommen.

Deswegen bin ich der Ansicht: Wir lösen es so nicht, und wir helfen so nicht. Dennoch will ich deutlich machen: Ich finde es widerlich, was Der dritte Weg dort in Sachsen mit der europäischen Fahne veranstaltet hat. Ich würde mich fragen: Warum kann man die nicht verbieten? Das wäre vielleicht eine Option. Warum gibt es nicht die Möglichkeiten, mit dem Versammlungsrecht dagegen vorzugehen? Was ich aber wirklich nicht angemessen finde, ist, die Wahrnehmung des Versammlungsrechts und der Meinungsfreiheit hier faktisch mit Unsicherheiten so zu behaften, dass weder derjenige, der auf der Versammlung ist, sicher sein kann: „Mache ich hier noch von meinem Meinungsfreiheits- und Versammlungsrecht Gebrauch, oder ist das schon strafbar?“, noch der jeweilige Beamte, sei er von der Polizei oder von der Staatsanwaltschaft, der prüfen muss, inwieweit man jetzt eingreifen muss, obwohl man vielleicht deeskalieren will, statt dort weiter gegen eine Straftat vorzugehen.

Deswegen lautet mein Resümee – gerne unterhalten wir uns dazu auch im Ausschuss –: Erst nachdenken, bevor man Strafrechtsverschärfungen auf den Weg bringt. Insoweit will ich nur noch sagen: Gestern hat beim Empfang des Deutschen Anwaltvereins die Justizministerin gesagt, sie hätte sich auch nicht gewünscht, dass sie hier so viel verschärfen muss; aber die Menschen seien ja
so unanständig geworden. Dazu kann ich nur sagen: Das Strafrecht ist nicht dafür da, den Anstand im alltäglichen Verhalten zu regulieren, sondern ist eine Ultima Ratio, um gegen wirklich strafbares Handeln vorzugehen.

15.01.2020

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