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Rede zu Änderung des Strafgesetzbuches – Verbesserung des Opferschutzes

Bundestag, Strafrecht

04.07.2024 im Deutschen Bundestag

Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen!

Herr Peterka hat gerade wieder vorgeführt, dass die AfD nicht nur nicht zulassen kann, dass eine Frau zu diesem Thema spricht, sondern dass er auch sonst von
dem Thema nichts versteht.

Sehr geehrte Damen und Herren, die aufgeheizte Stimmung bei diesem Thema will ich um einen Aspekt bereichern, indem ich aus der Realität, aus dem Alltag der
Menschen berichte, den ich als Rechtsanwältin erlebt habe.

Es ist in der Tat so, dass sich von Gewalt betroffene Frauen häufig schon im Vorfeld dieser Gewalt und dieser Bedrohung ausgesetzt fühlen. Es ist dann natürlich besonders schlimm, wenn diese Gewalt in einem Femizid, in einem Mord an der Frau endet, bei dem die Frau eben nicht nur dann keine Chance hat, wenn sie körperlich unterlegen ist, sondern bei dem sie von vornherein keine Chance hat. Das zu bekämpfen, meine Damen und Herren, sollte uns Demokraten in diesem Haus doch alle einen. Das will ich voranstellen.

Insoweit – das kann ich Ihnen jetzt nicht ersparen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Unionsfraktion – greift Ihr Gesetzentwurf etwas zu kurz.Denn die Gewalt müssen wir doch auch präventiv bekämpfen.

Wir können doch nicht erst anfangen, die Frauen zu schützen, wenn das Schreckliche passiert ist. Da haben wir natürlich Ansätze – wie zum Beispiel in anderen Ländern die Childhood-Häuser –, in denen die Frauen und – meist an das Schicksal der Frauen gekoppelt – auch die Situation der Kinder umfassend in den Blick genommen werden.

Ich spreche Ihnen nicht ab, dass Sie das wollen, liebe Kolleginnen und Kollegen von der Unionsfraktion. Aber das steht nicht in Ihrem Gesetzentwurf, und das muss schon noch mal erwähnt werden; denn Gewalt an Frauen und Mädchen ist ein gesamtgesellschaftliches Thema, das auch so betrachtet werden muss.

Zu unserer Realität in Deutschland, und da will ich kein einzelnes Bundesland besonders herausstellen, gehört auch, dass wir leider zu wenig Schutzräume haben. Wir haben zu wenig Frauenhausplätze. Wir haben immer noch den Bedarf, die Polizei, die Justiz so zu schulen, dass den Mädchen und Frauen frühzeitig geholfen werden kann. Als wir mit dem Unterausschuss Europarecht in Brüssel waren, haben wir doch mit den Parlamentarierinnen und Parlamentariern des EU-Parlaments darüber gesprochen; insbesondere das Beispiel der Fußfessel in Spanien wurde dort erwähnt, Herr Krings. Es findet gerade eine Debatte statt, ob wir das nicht gemeinsam europarechtlich auf den Weg bringen wollen und es dann auch hier in Deutschland umsetzen.

Diese Debatte findet längst statt. Da braucht es Ihren Gesetzentwurf nicht, meine Damen und Herren. Das muss hier auch mal offen gesagt werden.

Dann geht es auch noch um Folgendes – da will ich aus der Praxis berichten –: Jeder von uns, der von solchen Gewalttaten hört und liest, denkt: O mein Gott! Kein Mensch kann sich das Leid der Kinder vorstellen, die sich so was anschauen müssen; manchmal sind es auch die Nachbarn. Ich weiß von einem Fall, da saßen die Leute abends beim Fernsehen. Auf einmal hörten sie die Schreie der Nachbarin, die dann blutüberströmt im
Flur lag. Das sind schreckliche Realitäten, die wir alle bekämpfen wollen. Aber ein Großteil dieser schrecklichen Taten – 80 Prozent – sind Beziehungstaten. Beziehungstaten zeichnen sich dadurch aus, dass wir die Menschen mit einer Erhöhung des Strafmaßes nicht abschrecken. Und da appelliere ich an alle Juristen in
diesem Raum: Lassen Sie uns den Menschen nicht vormachen, mit unseren Gesetzen etwas erreichen zu können, das wir dann nicht schaffen! Da, finde ich, schulden
wir als Juristinnen und Juristen, als Politikerinnen und Politiker den Menschen Ehrlichkeit.

Nicht dass der Herr Minister Buschmann meine Verteidigung bräuchte, aber ich muss Ihre Spitze jetzt doch mal aufgreifen, Herr Krings. Sie sagten, er müsse hier dafür sorgen, dass Gesetze geändert werden, und solle den Richtern keine Vorgaben machen. Ich habe noch nicht gehört, dass Herr Buschmann den Richtern Vorgaben gemacht hätte.

Er hat aber mal darüber geredet, dass er sich den Strafrahmen vielleicht vorstellen könne, und dieser Hinweis unter Juristen muss erlaubt sein.

Also: Um dieses Strafmaß, das Ihnen vorschwebt, zu erreichen, brauchen wir die Gesetze nicht zu ändern. Mit dem Wunsch, insbesondere den Mordparagrafen oder auch andere Gesetze im Strafgesetzbuch zu diskutieren und gegebenenfalls zu ändern, rennen Sie bei uns und auch bei der SPD offene Türen ein, insbesondere beim Thema Femizid.

Aber – und das „Aber“ bezieht sich auf Ihren Gesetzentwurf – das, was wir den Menschen mit diesen Gesetzen versprechen, müssen wir auch umsetzen können. Darüber lässt sich bekanntlich diskutieren und streiten.

Was, glaube ich, niemandem hilft, ist, den Eindruck zu erwecken, als würden Menschen aus unterschiedlichen Ländern vor deutschen Gerichten unterschiedlich behandelt werden, was das Strafmaß betrifft. Diesen Exkurs hätten Sie sich sparen können, Herr Krings.

Und wenn ich mir das noch wünschen darf, liebe Frau Lindholz: Streichen Sie alle Teile Ihrer Rede, in denen Sie vorhatten, zu kulturalisieren oder sich rassistischer
Ressentiments zu bedienen! Jede Straftat, die begangen wird, gehört verurteilt, keine
Frage. Jede Frau, egal woher sie kommt und wohin sie will, muss geschützt werden. Und jeder Straftäter, dessen wir habhaft werden – zum Glück ist es bei den Gewaltdelikten gegen Frauen so, dass wir die meisten Täter erwischen –, gehört vor ein ordentliches Gericht gestellt. Darüber diskutieren wir mit Ihnen sehr gerne, liebe Kolleginnen und Kollegen.