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So wird § 218 StGB bald Rechtsgeschichte

Bundestag, Bürger*innenrechte, Strafrecht

Recht auf reproduktive Selbstbestimmung durch Entkriminalisierung

Schwangerschaftsabbrüche entkriminalisieren bedeutet die Lebensrealitäten von Familien anzuerkennen.

Die Kriminalisierung hält Ärzt*innen davon ab, Schwangerschaftsabbrüche durchzuführen, da sie Gefahr laufen könnten, einer Strafverfolgung ausgesetzt zu werden. Der Schwangerschaftsabbruch ist derzeit nicht Teil der medizinischen Ausbildung, sodass die Anzahl der Ärzt*innen, die diese lernen und lehren können, immer mehr schrumpft, was zu einem Problem bei der Versorgung führt. In Teilen der Republik müssen Schwangere mehrere hundert Kilometer zurücklegen, um einen Abbruch durchführen zu lassen.

Selbst dort laufen sie Gefahr, mit Abtreibungsgegner*innen konfrontiert zu werden, die Schwangere auf dem Weg zur Pflichtberatung belästigen und einschüchtern und so auch die Arbeit der Beratungsstellen behindern.

Dies erschwert schließlich für Schwangere den Zugang zu medizinisch sicheren Schwangerschaftsabbrüchen und mithin medizinisch notwendiger Versorgung. Die Beratungspflicht und Wartezeiten bremsen den Zugang in einer Phase aus, in der die Zeit ohnehin knapp ist.

Klar ist: Um Frauen, Kinder und Familien zu schützen, müssen wir der Lebensrealität der Menschen gerecht werden und Antworten auf die Bedürfnisse der Bevölkerung finden.

Mehr als die Hälfte der Frauen, die einen Abbruch vornehmen lassen, hat bereits Kinder geboren: 21,7 % ein Kind, 23,5 % zwei, 13,9 % drei und mehr Kinder. Die Gründe für Familien, keine weiteren Kinder zu wollen, sind persönlich und vielfältig. Der Staat sollte bei Regulierungen in diesem Bereich der Familienplanung die nötige Sensibilität an den Tag legen.

Im Gespräch mit Menschen in meinem Wahlkreis stoße ich auf völliges Unverständnis, dass der Schwangerschaftsabbruch auch in den ersten zwölf Schwangerschaftswochen noch immer grundsätzlich unter Strafe steht. Nicht zuletzt die Vereinten Nationen ermahnen Deutschland regelmäßig, sichere und legale Zugänge zu Schwangerschaftsabbrüchen zu eröffnen. Sie fordern zurecht, dass Pflichtberatung und Bedenkfrist abzuschaffen und Abtreibungen von Krankenkassen zu übernehmen seien.

Wir von Bündnis 90/Die Grünen fordern eine neue gesetzliche Regelung des Schwangerschaftsabbruchs außerhalb des Strafgesetzbuches. Damit einhergehend fordern wir, aus der Verpflichtung zur Beratung ein Recht auf Beratung zu machen und die dreitägige Wartepflicht abzuschaffen. Wir wollen den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen für ungewollt Schwangere erleichtern, die Infrastruktur für freiwillige Beratung dauerhaft absichern und Schwangerschaftsabbrüche als Teil der Gesundheitsversorgung verankern. Auch der Schutz der Beratungsstellen und Praxen vor sogenannten Gehsteigbelästigungen von Abtreibungsgegner*innen muss durch wirksame gesetzliche Maßnahmen sichergestellt werden.

Die von der Bundesregierung einberufene Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin wird sich damit auseinandersetzen, wie der Schwangerschaftsabbruch außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden kann. Das interdisziplinär zusammengesetzte Gremium besteht aus 18 Expertinnen und Experten der Fachbereiche Medizin, Psychologie, Soziologie, Gesundheitswissenschaften, Ethik und Rechtswissenschaften. Ohne der Arbeit vorgreifen zu wollen, hoffe ich, dass § 218 StGB in seiner jetzigen Form bald lediglich noch für Liebhaber von Rechtsgeschichte relevant sein wird.