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taz: Ein Wochenlohn für die Miete

Mieten, Presseecho, Wahlkreis

Im Vorfeld der großen Demonstration der Mieterinitiativen habe ich gemeinsam mit Katrin Schmidberger (grüne Sprecherin für Mieten und Wohnen im AGH) und Florian Schmidt (grüner Baustadtrat in Friedrichshain-Kreuzberg) aufgeschrieben, was die Große Koalition jetzt tun müßte. Hier die Langfassung des Textes …

Hier der Link zur taz vom Freitag, den 13. April:

https://www.taz.de/!5495685

Und hier die Langfassung des Textes:

Ein Wochenlohn für die Miete

Was zu tun ist, ist eigentlich allen klar: drei grüne Praktiker*innen aus Friedrichshain-Kreuzberg zeigen, wo es langgeht

Ein Wochenlohn für die Miete ist ein altes Maß. Davon ist inzwischen die Lebensrealität vieler Menschen bis weit in den Mittelstand hinein weit entfernt. Bis zur Hälfte des Haushaltseinkommens müssen heute in den Metropolen für die Wohnung ausgegeben werden und an anderen Stellen eingespart werden. Welche gesellschaftliche Sprengkraft die Fragen rund um die Miete inzwischen erreicht haben, zeigt sich daran, dass fast 200 zivilgesellschaftliche Initiativen zur großen Mieter-Demonstration am kommenden Samstag aufrufen. Es sind eben nicht mehr die fünf üblichen Verdächtigen aus Kreuzberg, sondern auch Initiativen aus Spandau über Weißensee bis nach Zehlendorf.

Es ist auch müßig, der Bundesregierung zum x-ten Male vorzuwerfen, was sie alles falsch macht. Die Antworten liegen auf dem Tisch und müssten nur umgesetzt werden.

Bundespolitisch geht es primär um eine wirksame Mietpreisbremse. Sämtliche Ausnahmen für umfassende Modernisierung, möblierte Wohnungen und Neubauten könnten sofort abgeschafft werden. Und was würde passieren, wenn man die Weigerung von Vermietern, die Vormiete zu benennen, als Straftat sieht? Dann drohen Sanktionen bis hin zum Gefängnis. Und gegen die persönlich oft nervenaufreibende individuelle Konfrontation zwischen Mieter und Vermieter hilft ein Verbandsklagerecht der Mietervereine. In Kommunen, bei denen die Mieten besonders durch die Decke schießen, könnte diesen auch gestattet werden, eine Obergrenze für Mieten einzuführen – dies war bis vor 50 Jahren völlig normal in der Bundesrepublik.

Es ist volkswirtschaftlicher Wahnsinn, wenn in drei Jahren die Miete um bis zu 15 Prozent erhöht werden kann, die jährliche Inflation aber nur maximal 2 Prozent beträgt. Dies kann auch jeder Berliner Schuljunge in der sechsten Klasse ausrechnen, dass da mindestens neun Prozent zu viel umverteilt werden. Die maximale Möglichkeit zur Mieterhöhung ohne Wohnwert-Verbesserung muss auf die Inflationsrate begrenzt werden. Dazu wäre nur eine kleine Änderung eines Satzes im Paragraf 558 des Bürgerlichen Gesetzbuches notwendig.

Weiter bedarf es eines Mietspiegels, der wirklich alle Mieten abbildet und nicht nur die Neuverträge der letzten vier Jahre. Denn sonst wird damit die Dynamik des Marktes weiter befeuert. Auch die Modernisierungsumlage kann man bis zu einer Neudiskussion um eine gerechte Lastenverteilung sowie eine wirklich gesellschaftlich sinnvolle Anwendung dieses Instruments aussetzen.

Doch auch beim Gewerbemietrecht brennt es. Mit jeder Tasse Café, der selbst in Nebenstraßen immer teurer wird, bezahlt man nochmal die Umverteilung des gesellschaftlichen Einkommens in die Hände der Immobilienbesitzer durch Mieten mit. Dabei geht es inzwischen nicht mehr nur um die vielen kleinen Läden und Handwerksbetriebe, auch für Kitas und Einrichtungen wie betreutes Wohnen und Pflegeeinrichtungen steigen die Mieten ins Unbezahlbare. Am Ende können nur noch Ketten die Mieten in den Innenstädten bezahlen.

Deswegen wird das rot-rot-grün regierte Land Berlin demnächst eine Initiative für eine neues Gewerbemietrecht über den Bundesrat auf den Weg bringen. Auch den angeblich so mittelstandsfreundlichen Parteien CDU und FDP steht es frei, sich dieser anzuschließen.

Für die Kommunen und Bezirke in den Großstädten geht es vor allem um die Ausweitung der Milieuschutzgebiete zum Schutz der Bevölkerung und ein umfassendes Verbot der Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen ohne Ausnahmen. Damit das formal gesetzlich vorhandene Vorkaufsrecht nicht weiter ausgehebelt werden kann, bedarf es finanzieller Fonds für den Aufkauf. Langfristig ist ein gemeinwohlorientierter Bestand von 50 Prozent der Wohnungen anzustreben. Um dieses Gemeingut im Besitz aller Bewohner*innen aufzubauen, bedarf es neuer Allianzen von städtischen und privaten gemeinwohlorientierten Akteuren. Selbstverwaltete Häuser und Stiftungsmodelle gehören dazu wie auch landeseigene Gesellschaften, die Ankäufe realisieren können. Dazu bedarf es allerdings eines Verkehrswert, der sich an den realen wirtschaftlichen Begebenheiten orientiert und nicht an einen Spekulationspreis, der auf die Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen setzt.

Konkret viel helfen könnten auch mit genügend Personal ausgestattete Wohnungsämter. So könnte man börsennotierten Konzernen, deren Heizung immer wieder ausfällt, die Verfügung über das Haus entziehen. Auch jedes Auto, dessen Bremsen nicht funktionieren, wird stillgelegt.

Langfristig steht die Entwicklung eines völlig neuen Miet- und Baurechts an, dass Wohnen als Teil der Daseins-Vorsorge begreift und sich daher an den realen Kosten zur Bewirtschaftung eines Hauses orientieren kann. Wie bei Gas und Wasser. Warum sollte es nur bei den Roaming-Kosten für Handys und bei den Kreditkarten-Gebühren möglich sein, europaweit Preisgrenzen einzuführen? Weil davon eben auch die oberen zehn Prozent der Bevölkerung genervt sind!

Als ein gesellschaftlicher Orientierungspunkt könnte für jedes Quartier gelten, dass ein Haushalt nicht mehr als ein Viertel seines Einkommens für die Brutto-Warm-Miete ausgeben muss. Ein Wochenlohn für die monatliche Miete reicht.

Canan Bayram, direkt gewählte grüne Bundestagsabgeordnete für Friedrichshain-Kreuzberg und Prenzlauer Berg Ost

Katrin Schmidberger, Sprecherin für Mieten und Wohnen der grünen Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus

Florian Schmidt, grüner Bezirksstadtrat für Bauen und Planen in Friedrichshain-Kreuzberg