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Verträge zulasten Dritter

Bundestag, Friedenspolitik

Der Parlamentarischen Untersuchungsausschuss Afghanistan drehte sich die letzten Wochen um die gescheiterten Versuche eines innerafghanischen Friedensprozesses

Im Nachhinein sind alle schlauer. Alle Zeugen in den letzten beiden Sitzungen waren sich einig, dass das US-Taliban-Abkommen schlecht gemacht und sozusagen als ein „Vertrag zulasten Dritter“ ausgestaltet war. Zentral war für die US-Regierung eine „gesichtswahrende Lösung“ besonders für sich und „auch“ die afghanische Regierungsseite zu verhandeln. Deutlich ist hier der Kontrast zwischen der Binnenperspektive und einem „Blick von außen“. Denn eigentlich war klar, dass der Krieg verloren war. So wurde die afghanische Regierung durch das US-Taliban-Abkommen verpflichtet, 5.000 Gefangene freizulassen, „keine Ladendiebe, sondern hochgefährliche Terroristen“, ohne dafür im Gegenzug von der Taliban ein klares Zugeständnis für einen Waffenstillstand zu erhalten.

Gehört wurden diesmal drei Zeugen mit einem Blick „von außen“ auf die Verhandlungen, obwohl sie auch an diesen beteiligt waren. Diese waren ein Vertreter der Berghof-Foundation, ein ehemaliger Sprecher der afghanischen Ghani-Regierung sowie des European Institut for Peace, das zum Beispiel auch beim Friedensabkommen in Kolumbien mit der FARC eine Rolle spielte.

Mit der Anhörung von Emily Haber, der deutschen Botschafterin in Washington von Juni 2018 bis zum 30. Juni 2023 drang der Untersuchungsausschuss erstmals in den politischen Raum ein. Emily Haber ist ein „Subjekt der deutschen Außenpolitik“, die nicht den Verweis auf „mein Vorgesetzter hat gesagt“ nötig hat, zudem nun mit der „Beinfreiheit einer Pensionärin“ ausgestattet ist. Spannend ist da die Diskrepanz, wann es viele E-Mails gibt und wann viel passiert „ohne E-Mails“, also die Diskrepanz zwischen Event-Lage und Akten-Lage. Und deutliche Unterschiede bei der Bewertung der Lage scheint es zwischen dem State Department und dem Pentagon gegeben zu haben. Für uns steht immer die Frage im Fokus, wer wusste was wann, wobei man auch berücksichtigen muss, dass erst mit dem Blick ex post manche Einschätzungen und Papiere sich eben als „falsch“, andere als „richtig“ herausstellen.

Gehört wurde auch ein Vertreter des BND aus dem Referat für „Auswertung Strategische Länder und Militärpolitik“, der in öffentlicher und anschließender nichtöffentlicher Befragung besonders auf die möglicherweise unterschiedlichen Informationen des BND sowie des Auswärtigen Amtes und des Bundesministeriums für Verteidigung eingehen sollte.

Dazu hatte die aktuelle Wehrbeauftragte als weitere Zeugin ausgesagt, dass sich ihre Informationen aus dem Ministerium für Verteidigung mit denen in den Briefings durch den BND gedeckt haben. Dabei betonte sie, dass die Bundesregierung gegenüber dem Parlament eine „Bringschuld“ habe und den Abgeordneten alle Informationen „ehrlich und vollständig“ zur Verfügung stellen müsse, damit die Abgeordneten ihre Kontrollfunktion ausüben können.

Die Befragung von Emily Haber als bisher ranghöchste Spitzendiplomatin war sozusagen der Auftakt für das Jahr 2024, in dem wir uns zunehmend auf die hohen Entscheidungsträger konzentrieren werden.

Doch zuerst werden wir im Januar auf die heiße Phase im August 2021 eingehen und Botschaftsangehörige und andere Behördenvertreter hören, die auf dem Flughafen von Kabul in den entscheidenden Tagen die Stellung gehalten haben.

Voraussichtlich am 1. Februar 2024 werden wir mit der damaligen afghanischen Flüchtlingsministerin und dem damaligen afghanischen Außenminister weitere afghanische Stimmen hören. Für uns als Grüne sind gerade diese afghanischen Stimmen wichtig. Doch damit stoßen wir selbst bei unseren Ampel-Partnern ab und zu auf Widerstand.

Zum Abschluss des Ausschusses – der noch nicht abzusehen ist – wollen wir anhand der Untersuchungsergebnisse empfehlen, was aus den gewonnenen Erkenntnissen zu lernen ist. Der Ausschuss tagt in der Regel öffentlich.

 

Mehr Informationen und Anmeldung:

https://www.bundestag.de/ausschuesse/untersuchungsausschuesse/ua01