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Vorbild Bankenrettung: So kann man Wohnungsunternehmen enteignen

Mieten, Presseecho

In der Bankenkrise ging die Verstaatlichung doch auch, schreibe ich in einem Gastbeitrag für die Berliner Zeitung

Rund 56 Prozent der Berliner Wähler*innen haben ihrer Landespolitik einen klaren Arbeitsauftrag erteilt: sie soll die großen privaten Immobilienkonzerne in der Stadt vergesellschaften und dazu alsbald ein Enteignungsgesetz vorlegen, das auch vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat …

HIER DER GANZE TEXT:

Vergesellschaftung der Deutschen Wohnen & Co? Klar geht das

Bereits 2009 hat die Bundesregierung ein Gesetz zur Verstaatlichung der großen Banken vorgelegt und dies von Bundestag und Bundesrat verabschieden lassen – alles ganz verfassungskonform

Rund 56 Prozent der Berliner Wähler*innen haben ihrer Landespolitik einen klaren Arbeitsauftrag erteilt: sie soll die großen privaten Immobilienkonzerne in der Stadt vergesellschaften und dazu alsbald ein Enteignungsgesetz vorlegen, das auch vor dem Bundesverfassungsgericht Bestand hat. Sie verlangen von ihrer Landesregierung, die Berliner Mieter*innen – immerhin rund 84 Prozent der Bevölkerung – vor einem außer Kontrolle geratener Wohnungsmarkt zu schützen. Ein Wohnungsmarkt, auf dem zahlreiche Menschen keine Wohnung finden und bei denen, welche eine Wohnung haben, ein immer größerer Anteil ihres Einkommens von den Wohnkosten aufgefressen wird.

Nachdem der Mietendeckel vor dem Bundesverfassungsgericht allein aus formalen Gründen wegen der fehlenden Zuständigkeit des Landes Berlin gescheitert ist, muss sich die Landesregierung nun andere Wege überlegen. Die Initiative „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ hat dafür bereits einen Gesetzentwurf auf den Tisch gelegt. Überraschend gibt es auch von der Bundesregierung eine Blaupause für ein solches Gesetz. Wenn der politische Wille da ist, geht bekanntlich vieles.

Denn als es 2009 um die Rettung der Banken und des Finanzmarktes ging, wurde mit den Stimmen der damaligen Regierungskoalition von CDU/CSU und SPD quasi über Nacht ein Gesetz zur Enteignung von Banken verabschiedet. Auch der Bundesrat stimmte alsbald zu. In diesem Gesetz wurde die Finanzmarktstabilität zum „öffentlichen Gut“ erklärt und sollte somit zur Verbesserung und Sicherung menschlicher Lebensbedingungen dienen. Nur ist in dem Beispiel aus dem Jahr 2009 nicht ein außer Kontrolle geratener Wohnungsmarkt gemeint. Sondern die Bundesregierung hatte in der Finanzkrise einige Banken für „systemrelevant“ erklärt und die Finanzmärkte wurden zum „Zentralnervensystem moderner politischer Ökonomien“. Insbesondere galt dies zur Rettung der Hypo Real Estate (HRE) und der Commerzbank.

„Finanzmarkstabilisierungsergänzungsgesetz“ lautete der Titel des im März 2009 verabschiedeten, am 7. April erlassenen und am 9. April 2009 in Kraft getretenen Gesetzes. Den damaligen Entwurf des Gesetzes findet man noch unter https://dserver.bundestag.de/btd/16/121/1612100.pdf. Darin wird explizit eine Möglichkeit zur sofortigen Enteignung von Anteilseignern geschaffen, sogar von einem Tag auf den anderen. Wie für einen Rechtsstaat wichtig, soll eine Enteignung nur zulässig sein gegen eine angemessene Entschädigung und „wenn andere rechtlich und wirtschaftlich zumutbare Lösungen zur Sicherung der Finanzmarktstabilität nicht zur Verfügung stehen“. Trifft dies nicht auch auf die Wohnungsnot und die ungebremst steigenden Mieten in Berlin zu? Das Problem ist seit Jahren virulent und bisher haben alle Maßnahmen sich als nicht ausreichend erwiesen. Deshalb greifen die Berliner Mieter*innen durch Zustimmung zum Volksentscheid ja nun zur „ultimo ratio“ und fordern aus Notwehr mittels des erfolgreichen Volksbegehren eine Vergesellschaftung von Deutsche Wohnen & Co.

Besonders spannend ist der Artikel 3 des Bankenrettungsgesetzes zu lesen. Heute braucht man nur das Wort „Finanzkrise“ durch Wohnungsnot ersetzen und Wohnen als Teil der Daseinsvorsorge zu denken, schon hat man die Blaupause, wie eine verfassungskonforme Formulierung eines Gesetzes zur Vergesellschaftung von großen Immobilienkonzernen in Berlin aussehen könnte. Warum soll ein Gesetz, das zur Rettung der Banken gut genug ist, nicht auch zum Schutz der Mieter*innen taugen?

Der Knackpunkt ist die Abwägung zwischen öffentlichen und privaten Interessen bei Auslegung des Eigentumsrechts nach Artikel 14 des Grundgesetzes. „Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen“ heißt es dort und mit „zugleich“ ist nach allgemeinem Verständnis „Hälfte-Hälfte“ gemeint. Beim Bau einer Autobahn oder dem Abbaggern von Dörfern für die Braunkohleförderung wird dies eindeutig in Richtung „Öffentliches Interesse“ beantwortet. Dann doch erst Recht beim Wohnen als Teil der Daseinsvorsorge. Warum braucht jemand, der bereits 100 Wohnungen besitzt, noch eine weitere? All dies steht nicht erst seit gestern im Grundgesetz, sondern schon lange. Jetzt bietet sich der Berliner Landesregierung dank des erfolgreichen Volksbegehrens die gute Gelegenheit, diese Möglichkeit des Grundgesetzes auch einmal zur Anwendung zu bringen.

HIER DER LINK ZUR BERLINER ZEITUNG:

https://www.berliner-zeitung.de/mensch-metropole/vorbild-bankenrettung-so-kann-man-wohnungsunternehmen-enteignen-li.187730?pid=true