Meine Persönliche Erklärung zur Abstimmung über das "Sondervermögen" am 18. März 2025 (Änderung des Grundgesetzes)
Erklärung der Abgeordneten Canan Bayram (Bündnis 90/Die Grünen) nach § 31 GO-BT am 18.3.2025 zu TOP 1a): Zweite und dritte Lesung des von den Fraktionen von CDU/CSU und SPD eingebrachten Gesetzentwurfs zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h), BT-Drs. 20/15096, 20/15117 Buchstabe a
Bei dem von den Fraktionen CDU/CSU und SPD eingebrachten Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes (Artikel 109, 115, 143h) stimme ich mit „Nein“.
Meine Entscheidung beruht auf den folgenden Erwägungen:
Ich kann nicht erkennen, worin die Notlage besteht, wenn die Beschlussfassung am 18. März 2025 durch den alten statt am 25. März 2025 durch den neuen Bundestag erfolgt. Mir wäre es lieber, wenn ein solch gigantisches Schuldenpaket mit den Fraktionen des neuen Bundestags verhandelt und entschieden würde. Es wäre möglich, mit der Linkspartei sozial- wie klimapolitisch abgewogene Entscheidungen zu treffen.
Wenn wir als Abgeordnete des alten Bundestags den Haushaltsspielraum der Kolleginnen und Kollegen des neuen Bundestages so weitreichend einschränken und ihren politischen Gestaltungsspielraum beschneiden, finde ich das problematisch. Schließlich mache ich mir große Sorgen, dass wir die Sonderschulden, was das sogenannte Sondervermögen eigentlich ist, aus dem laufenden Haushalt zurückzahlen müssen und dies auch auf Kosten von Bürgergeldempfänger*innen und Menschen mit Migrationshintergrund gehen kann.
Das geplante Verfahren bleibt rechtlich und politisch angreifbar und ich befürchte, dass genau dies die Politikverdrossenheit fördert.
Grundsätzlich gilt für mich: „Wer Sicherheit denkt, muss Klima mitdenken. Wir leben bereits in der Klimakrise.“ So lautet das Fazit einer jüngst veröffentlichten Studie von Klimaforscher*innen. Darin heißt es, dass der Klimawandel eines der größten Sicherheitsrisiken für Deutschland ist. Die Fraktionen CDU/CSU und SPD verkennen die vor uns stehenden Herausforderungen mit Blick auf Klimaschutz und Klimaanpassung in gravierender Weise. Insoweit geht es an der Realität vorbei, die Ausnahme der Schuldenbremse nur für Verteidigungsausgaben vorzuschlagen.
Klimaschutz hat Verfassungsrang. Schon am 24. März 2021 stellte das Bundesverfassungsgericht fest, dass die Verschiebung von Problemen in die Zukunft gerade künftige Generationen in ihren Grundrechten einschränkt. Die Klimapolitik der damaligen Bundesregierung von CDU/CSU und SPD stellte demnach eine Gefahr für die Freiheit, das Leben und die körperliche Unversehrtheit künftiger Generationen dar. Die Richter*innen betonten, dass ein wesentlich ambitionierterer Klimaschutz notwendig ist, damit für junge Menschen auch in Zukunft Freiheiten wie die Reisefreiheit erhalten bleiben und grundlegenden Rechten des Individuums auch für die nachfolgenden Generationen zu sichern sind. Jetzt, genau vier Jahre nach diesem Urteil, steht eine Koalition aus denselben Parteien bevor und wieder ignorieren sie die drängendste globale Krise, die eine Gefahr für Leib, Leben und Freiheit aller Menschen auf unserem Planeten darstellt. Wieder scheint es, als wollten sie die entscheidenden Jahre für die Weichenstellung hin zur Klimaneutralität ungenutzt verstreichen lassen.
Die von Bündnis 90/Die Grünen verhandelten 100 Milliarden Euro für Klimaschutz stellen zwar einen Verhandlungserfolg dar und verbessern den ursprünglich vorgelegten Gesetzentwurf. Sie sind aber mit Blick auf die Herausforderungen der nächsten Jahre nicht mehr als ein Tropfen auf den heißen Stein. Bei der Öffentlichen Anhörung im Haushaltsausschuss machten die Sachverständigen deutlich, dass auch für Klimaschutzinvestitionen eine Ausnahme von der Schuldenbremse erforderlich ist, um die anstehenden Aufgaben zu bewältigen. Der Expertenrat für Klimafragen beziffert den jährlichen Bedarf an transformationsbedingten Mehrinvestitionen in Deutschland auf bis zu 150 Mrd. Euro pro Jahr. Diese Mehrinvestitionen erfassen allein die transformationsbedingten Mehrkosten. Die insgesamt notwendigen Transformationsinvestitionen belaufen sich auf bis zu 255 Mrd. Euro pro Jahr. Auch die Aufnahme der Worte „Klimaneutralität bis 2045″ als bloße Zweckbestimmung der Verschuldung setzt keinen Handlungsrahmen für politische Entscheidungen. Wofür das Geld am Ende konkret ausgegeben wird, entscheiden nicht wir Grünen, sondern Union und SPD mit ihrer einfachen Mehrheit im Haushaltsausschuss. Als Grüne sollten wir dabei nicht auf Friedrich Merz vertrauen.
Einer „provisorischen“ Grundgesetzänderung, die nur für die kommende Bundesregierung finanzielle Beinfreiheit ermöglicht und damit den Druck für eine grundlegende Reform der Schuldenbremse verringert, kann ich nicht zustimmen. Vielmehr ist eine nachhaltige Reform erforderlich.