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Wir haben das Hanf freigegeben!

Bundestag, Bürger*innenrechte, Strafrecht

Die Vernunft hat die Prohibition beendet

Dreißig Jahre lang haben wir Bündnisgrünen an der Seite der Zivilgesellschaft für die Legalisierung von Cannabis gekämpft. Im Februar ist es uns dann nach langem Ringen innerhalb der Koalition gelungen, annähernd eine 2/3-Mehrheit für das Cannabisgesetz im Deutschen Bundestag zu mobilisieren (404:226 Stimmen). Dennoch stand bis letzten Freitag nicht fest, ob das Gesetz tatsächlich wie geplant zum 1. April 2024 – oder überhaupt jemals – in Kraft tritt. Was war da los?

Ich war am Freitag selbst vor Ort, um die historische Abstimmung im Bundesrat mitzuerleben. Für ein planmäßiges Inkrafttreten am 1. April 2024 musste das Gesetz am 22. März 2024 den Bundesrat durchlaufen. Da es sich nicht um ein Zustimmungsgesetz handelte, sondern um ein Einspruchsgesetz, war dafür nur erforderlich, dass sich keine Mehrheit (35 Stimmen) für die Anrufung eines Vermittlungsausschusses ausspricht. Bis zuletzt war nicht klar, wie diese Abstimmung ausfallen würde. 

Der Vermittlungsausschuss ist ein gemeinsamer Ausschuss der Verfassungsorgane Bundestag und Bundesrat, in dem Vertreter*innen beider Häuser zusammensitzen, um nach Einigungen bei umstrittenen Gesetzesvorhaben zu suchen. Doch beim Cannabisgesetz war – auch aufgrund öffentlicher Aussagen aus unionsgeführten Ländern – zu befürchten, dass der Vermittlungsausschuss angerufen werden könnte, um das Gesetz endgültig zu blockieren. Das wäre möglich, indem das Gesetz bis zum Ende der Bundestags-Wahlperiode nicht auf die Tagesordnung gesetzt wird, sodass es „verfällt“ (Diskontinuitätsprinzip). 

Als offizieller Grund für die mögliche Blockade wurde insbesondere aus den Justizministerien Kritik an der vorgesehenen Amnestieregelung vorgeschoben. Diese Regelung besagt, dass gegen niemanden wegen einer Tat, die nicht mehr strafbar ist, weiter eine Strafe vollstreckt werden darf. Das heißt: Wer wegen des Besitzes von geringen Mengen Cannabis im Gefängnis sitzt, muss freigelassen werden und auch eine Geldstrafe muss nicht weiter bezahlt werden. Das sieht nicht nur das Cannabisgesetz so vor, sondern ist verfassungsrechtlich geboten. 

Die Staatsanwaltschaften haben jedoch kritisiert, dass damit für sie eine große Mehrbelastung einher geht, da sie die entsprechenden Akten händisch sichten müssten. 

Klar ist doch: Diese Mehrarbeit sollte uns Gerechtigkeit wert sein. 

Polizist*innen, Staatsanwält*innen und Richter*innen werden außerdem durch das Gesetz erheblich entlastet. Hunderttausende Fälle weniger werden durch die Entkri- minalisierung über ihre Tische gehen (im Durchschnitt: 180.000 pro Jahr). Dass es durch die Amnestieregelung dafür zu einer vorübergehenden Mehrbelastung kommen wird, ist die logische Folge der Entkriminalisierung. Mit jedem Tag, den das Gesetz weiter verzögert worden wäre, wären weitere Fälle hinzugekommen, die später wieder unter die Amnestieregelung gefallen wären. 

Am Freitag wurden dann im Bundesrat ausschließlich Reden gehalten, die das Gesetz aus diesen oder anderen Gründen ablehnten. Nur Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach warb zum Abschluss noch einmal für das Gesetz. 

Bei der Abstimmung wurde es dann spannend: Brandenburg, Bayern, Baden-Württemberg und das Saarland stimmen für die Anrufung des Vermittlungsausschusses. Für Sachsen stimmte Ministerpräsident Kretschmer dafür, die übrigen Koalitionspartner aber enthielten sich. Dadurch wurde die Stimme von Sachsen ungültig. Alle anderen Bundesländer enthielten sich, sodass keine Mehrheit für die Anrufung des Vermittlungsausschusses zustande kam. Doch auch über die Stimme von Brandenburg gab es im Nachhinein Streit. Die Grüne Gesundheitsministerin und Vize-Ministerpräsidentin Ursula Nonnemacher sowie der Grüne Fraktionsvorsitzende Benjamin Raschke gaben im Nachhinein an, dass eine Enthaltung vereinbart worden sei. Also: Ein echter Krimi!

Für Millionen von Menschen in Deutschland bedeutet dieses Gesetz eine Entstigmatisierung und Anerkennung ihres Selbstbestimmungsrechts und das Ende der ungerechten Kriminalisierung. Zum 1. April 2024 tritt es in Kraft. Ein historischer Erfolg, für den Grüne von meinem Vorgänger Hans-Christian Ströbele bis hin zu Robert Habeck gemeinsam gekämpft haben. Wir haben das Hanf freigegeben!